Motten. Schwirren meist dann und dort umher, wenn man sie so gar nicht sehen will. Kleidungsmotten, Lebensmittelmotten, Motten ins Licht. Braucht man dann doch eher selten. Tun sich selbst ja auch nichts Gutes damit, werden so und so gemeuchelt. Mein tierfreundlich gepoltes Herz steht dem gezielten Mottenmord fast zwiespältig gegenüber. Au contraire allerdings in dieser just erlebten Szene: Wenn Motten losflattern, sobald man sein „aktuelles“ Kreativprojekt vom schützenden Stofffetzen befreit, dann ist das ein deutliches Zeichen. Entweder direkt vom Himmel, weil schau: es (das Projekt) kann ja vielleicht doch noch fliegen lernen, wenn auch anders als gedacht (ja, zugegeben, die Kunst des Reframings liegt mir). Oder im derart fragwürdig Flatterhaften offenbart sich eine Message geradewegs aus der Hölle, fehlen nur noch der Schimmel, die Pilze und der Abgestandenheit des jahrealten Werks adäquater Fäulnisgeruch, der dem Selbstverwirklichungsvorhaben du – nein, nicht jour, eher schon décienne, sprich: Dekade, unwillkürlich entweicht. Stinkmorchelmäßig quasi, Untertitel unnötig. (Obwohl ich unter dem Gedankengang „Untertitel aus der Hölle“ durchaus instantly einen nicht notwendigerweise unlustigen Film vor Augen habe.)
Motten. Sie also leiten diesen Blogartikel ein. Ist auch für mich mal was Neues. Bin selbst gespannt, wie sie zum großen Themenfeldes dieses Blogs, nämlich zum „Symbol für Erfolg, mal anders“, mutieren werden… Lasse mich also ebenso überraschen wie Sie sich/Du Dich. Ich persönlich finde ja die direkte Anrede mit großem D immer noch netter, höflicher, korrekter als mit kleinem. An dieser Stelle fällt der Schritt von Motten zu Moden nicht schwer, ist ein ganz kleiner, sozusagen. Manchmal frage ich mich tatsächlich, ob sich der Inhalt meines Romans (sollten, Sie/Du zum ersten Mal hier lesen: es handelt sich um das mottenumschwirrte Projekt aus Himmel und Hölle) als völlig obsolet herausstellen wird, schlicht, weil die Inhalte zu seiner Fertigstellung (ha!) völlig aus der Mode gekommen sein werden. Müßig, darüber nachzudenken. Eine andere Assoziation lohnt sich dafür umso mehr: Motten vernichten in der Tat Stücke, die aus der Mode gekommen sind und daher zu lange unbeachtet im Kasten hingen. Da lob ich mir die Klassiker, also Werke, gewebt aus guter Qualität, nahezu motten- und modensicher. Wäre schön, wenn mein Buch ein solcher werden wollen würde. So wie es aussieht, habe ich da nicht viel mitzureden, bin ja mittlerweile eher zum Beobachter des natürlichen Wachs- und Siechtums des Großen Werkes mutiert, Motten- und Modenschau inklusive.
Motten. Bei ihrem Anblick hier und jetzt macht sich eine hingebungsvoll post-frustig-fast-fröhliche Mischung aus Ekel und Mitgefühl, Lebensfreude, Sorge und Mordlust bereit, mich in eine Stimmungsmelange zu tunken, die doch glatt zu interessanten, weil mich selbst überraschenden, verbalen Ergüssen führen könnte. Gut, dass ich mich daher gleich mal am Blogschreiben abreagiere. Wie Regen – den ich übrigens durchs Fenster sehe und im Hintergrund verstärkt als Playlist höre, was zugegebenermaßen auch ich leicht dekadent finde – der sich an einem Berg abregnet, habe ich den Drang, mich beim Blogschreiben kreativ auszutoben. Sonst landet vielleicht noch lauter mottenverseuchtes, modeunbeständiges Gedankengut im Großen Werk.
Mittlerweile bin ich von drei aufgestellten Mottenfallen umzingelt. Alle leer. Wo sie wohl sind, die Motten? Meine Fingerspitzen fühlen sich zart nervös aufs Mauspad klopfen. Genug geschrieben, Zeit für die Konklusio. Welche da wäre: Mitunter mögen Motten die Dunkelheit lieber als das Licht. Mitunter mag der Blog das gefühlt Schummrige lieber als die geistige Klarheit. Mitunter flattern wir einfach so durchs Leben, planlos und orientierungslos umher-mäandernd, bleiben an Verlockendem kleben oder verkriechen uns unterm Teppich. Ich nehme mal an, dass die Motten unterm Teppich gerade lustvoll Unaussprechliches treiben und muss lächeln. Mitunter mag ich Motten. Das hätte nicht einmal ich bis vor Kurzem noch gedacht. Die Magie der unerwarteten Wendung, gezaubert mittels der Methode der Multiperspektivität. Möge die Macht stets mit uns sein…