Suchen, finden, überwinden. Ich versuche meinen ersten Roman zu schreiben. 100 Seiten sind schon da. Doch ich stecke. Ich suche nach dem perfekten, den idealen Zustand, um in Freude, Frieden und Freiheit weiterzuschreiben. Stattdessen ernte ich Hoffnung, Angst, Erwartungen aller Art – und Warten. Ich sehe mir beim Warten zu. Ich warte auf den Moment, an dem mir die Inspiration einen festen Tritt in den Allerwertesten schenkt. Nicht, dass mir die Ideen fehlten, nein, das Skript mit den Ideen ist voll. Es geht ums Einbauen in den bestehenden Text, diesen zu erweitert, zu vervollkommnen, zu ergänzen und abzurunden. Jedenfalls, die Wahrheit ist: ich warte. Auf den richtigen Moment.
Der Moment, ich kenne ihn gut, ist da, wenn mich das Bedürfnis überkommt wie eine Welle. Als würde mein Wesen die Worte und Bilder unwillkürlich, ungebremst durch mich – jetzt fällt mir kein besseres Wort ein – auskotzen. Aber angenehm, oder zumindest befriedigend. Es schreibt sich dann durch mich. Was auch immer da raus will. Ich warte also darauf, dass es wieder soweit ist. Jeglicher Zeitplan ist dadurch bei Teufel. Oder wo dasjenige halt zu Hause ist, das mich dann überkommt, wenn‘s kommt.
Beim Warten habe ich verschiedene Rituale und Gewohnheiten entwickelt, die das Plötzliche, das Magische anlocken sollen. Indem ich mich soweit ablenke, entspanne, anderweitig beschäftige, dass ich die Muse – oder wer eben immer es ist, der sich da durch mein Wesen manifestiert – nicht durch einen „Erledigungsmodus“ verschrecke. Denn ich weiss: Offenheit muss sein. Wenn ich arbeite, dann verkriecht sich die Muse, zieht sich zurück wie eine Mimose. Was tue ich also, um offen zu sein und mich dennoch beim Warten von der Erwartung des Ankommens des Musen-Tritts abzulenken? Ich putze, koche, wasche, räume herum. Meine Wohnung profitiert eindeutig. Auch die Menschen rundherum, bilde ich mir ein. Ich gehe einkaufen, sehe den Schneeflocken beim Tanzen zu, den Wellen beim Springen. Ich höre Musik. Ich träume und sinniere, ohne irgendwo haften zu bleiben. Ich übergebe mich dem Fluss der Dinge. Und küsst mich die Muse deswegen? Mitnichten. Die Muse lacht mich aus. Oder ignoriert mich. Oder tut, was Musen halt so tun, wenn sie nicht am Küssen sind.
Seit gestern versuche ich daher mir ein Ritual zusammenzubasteln, damit ich nicht immer meine Wohnung malträtieren muss. Ein Ritual der Offenheit, des reinen Möglichkeitsraumes, des Vernichtens von Hoffnungen und Erwartungen. Eines, das ich durchführe, bevor ich mein Manuskript öffne. Ich denke da an etwas Stretchen, Atmen und meine Steeldrum spielen. Vielleicht eine Kerze dazu? Anyway. Es soll ein wirksames Experiment werden, mich vor dem Schreiben zu konzentrieren, frei zu werden. Und was passiert?
Ich öffne vor 10 Minuten mein aktuelles Morgen-Buch, ein Buch, aus dem ich in der Früh immer wieder mal eine Stelle lese, um mich aufs Sein einzustimmen. Und was steht da? Die Antwort auf meine Frage nach dem richtigen Zustand (ohne, dass ich zuvor überhaupt vermocht hatte, die Frage richtig zu formulieren): „Spontaneity is unattainable through techniques or forced concentration. Goal-orientation is superfluous, ambition and apprehension dispensable. Spontaneity is pure being, here and now”. Na super, kann ich mir meine Rituale an den Hut stecken. Nichts zu suchen, nichts zu finden, nichts festzuhalten, nichts abzuweisen, nichts. Und das Alles ist da. Ganz spontan. Wie es immer schon war.
Die Insel der Seligen, die Quelle des Schaffens, das Ankommen im Formen – sie alle „verstecken“ sich wohl stets in all ihrer Pracht direkt vor aller Augen. Weit näher als vermutet, unmittelbar da, wo man gerade ist, wenn man nichts tut oder will. Weder Greifen noch Begreifen nötig. Ein Mysterium, das sich der Kontrolle entzieht. Ein Zustand, der sich dem Erkennen verweigert, während er sich durch einen (her)aus-drückt. Ob das alles helfen wird, mein Buch fertigzustellen? Weiß ich nicht. Aber mir selbst, dem Sein und dem Werden nicht durch irgendeine Art von Ver-Suchen im Weg zu stehen, könnte ein würdiger Wegweiser sein…