Silver Sounds of Silence: 8

Timeless

Stille, als Phänomen der Zeit erlebt, ist ein wundersam flexibles Nicht-Ding und wahrlich überall zu Hause, solange man nur hinhören möchte. Sie findet sich etwa in den bedeutungsschwangeren Pausen von Musik, die vor allem in der Klassik äußerst bewusst gesetzt, ja geradezu dezent unverhohlen zelebriert werden. Jene aufregenden klanglichen Leerräume, die die Fülle des Geschehens – seien es der Nachhall eines fulminanten orchestralen Crescendo oder der nahende einsame leise, sehnsüchtig-schöne Ton einer Violine – so besonders werden lassen. Im Pop andererseits gibt es nahezu keine Pausen, die nicht in die rhythmische Struktur einzahlen würden. Sie existieren damit weniger eigenständig, sondern sind ein Teil des Klangbildes. Diese Art der Musik lädt nur selten mit gänzlich stillen Phasen zum Verweilen im Sein, zum Nachspüren oder zum subtilen Vorahnen ein. Auch der berühmte Drop in der elektronischen Musik hat im Moment der Stille (bzw. des reduzierten Klanges auf eine rhythmusarme Soundkulisse) einen zwar unhörbaren, jedoch spürbaren Beat, den man unweigerlich mitgroovt, in Vorfreude auf den (das?) kommende(n) Wumms. Im 08/15-Radio drängt sich eine Soundkulisse an die andere, DJs mischen eine Soundwand in die nächste. Bloss keine Stille aufkommen lassen, scheint die Devise, die Aufmerksamkeit könnte sich ja anderen Dingen zuwenden. Doch nicht hier in diesem Blog, nicht mit uns! Wir widmen uns den gar nicht langweiligen Seiten der Stille, heute noch einmal unter dem Aspekt der Zeit bzw. der Zeitlosigkeit. Es gibt da nämlich die kleinen Brüche in der Selbstverständlichkeit der Vergänglichkeit, durch die wir beständig fließen – und dann wären da noch die Wirklich Großen, spektakulär lebensverändernden, die uns aus dem Fluss der Dinge gnadenlos herauskatapultieren…

Wenn die Zeit stillsteht

Intensität lässt uns im ewigen Fluss der Dinge endlich innehalten. Der erste Schluck vom kühlen Bier am frühen Abend im Sommer, der erste Bissen im Hundert Hauben Restaurant, das nur alle Hundert Jahre einen Platz frei hat, den man sich auch nur alle Hundert Jahre leisten kann. Der erste Orgasmus nach längerer Pause. Überhaupt Premieren oder wertvolle Seltenheiten aller Art. Sie zu erleben verlangsamt die Zeit, bis das Verweilen mit ihnen, durch sie, dermaßen köstlich wird, dass der eigene Film des Lebens kurz stoppt. Oft nur allzu kurz. Seufz. Das Hirn setzt wieder ein, mit seinen Kommentaren, Vergleichen, Bewertungen, genialen Ideen – oder alltäglichen Plappereien. Geht das Gelaber im Kopf los, ist der Eine Moment der Zeitlosigkeit wieder vorbei. Diese Genussinseln, die uns fast außerhalb der Zeit bringen, ähneln einem Gummiband, das zwar ordentlich gedehnt wird, aber nicht reißt. Was ja auch sein Gutes hat, denn einen Filmriss erfährt wohl kaum jemand gern.

Wenn die Zeit aufhört zu existieren

Der Große Bruch im steten Kommen und Gehen von Augenblicken, umspült uns wesentlich weniger sanft und freudvoll. Es sind die Schockmomente, die das Raumzeitgefüge tatsächlich reißen lassen. Der plötzliche Tod eines nahen Menschen. Der eigene Unfall, der in Zeitlupe abläuft, bis die Zeit zu einem Ende kommt und man weg vom Fenster der bewussten Wahrnehmung ist. Plötzliche Störungen im erwarteten Lauf der Dinge, die ans Eingemachte gehen, existenzielle Fragen aufwerfen oder gar die Existenz selbst fraglich werden lassen. Intensive Gewalt jeder Art. Vielleicht ist es das, was SM-Anhänger so angenehm am Schmerz finden, dass die Zeit stillsteht? Gedanke beiseite, zurück zum Ernst des Lebens.

Die vier großen Themen, die laut Psychologie von uns Menschen niemals endgültig beantwortet werden können, sind dazu geeignet, die Zeit in ihrem nahtlosen Dahingleiten zu unterbrechen und ein Leben, das auf Schiene war, spontan oder allmählich entgleisen zu lassen. Uns den Abgrund hinabstürzen und unten angekommen, innehalten lassen. Irgendwie auch ankommen lassen. Im vorstellungsfreien, erwartungslosen Sein selbst. Die 4 Fragen betreffen das Leben selbst, die Freiheit, die Einsamkeit und den Tod. Wenn geliebte Menschen sterben, betrifft dies alle vier Große Fragen. Der Wegfall eines wichtigen Menschen im persönlichen Gefüge stellt nicht nur die Fragen nach einem gelungenen Leben (für den Verstorbenen und für einen selbst) oder nach dem Wesen des Todes (gibt es ein Existieren danach?). Wir sind darüber hinaus traurig, weil wir uns einsamer fühlen (bis wir die im Außen fehlende Person in unserem inneren System durch Repräsentation zu anderem, für die Spanne unseres Daseins ewigen Leben erweckt haben). Und durch den Verlust entsteht letztlich auch eine neue Freiheit. Es wird ein Platz frei, wo vorher eine Person Raum, Zeit, Energie, Vorstellungskraft etc. eingenommen hat. Wenn ein lieber Mensch aufhört da zu sein – und sofern wir uns nicht diversen Vorstellungen vom Jenseits hingeben, um uns zu trösten – werden wir mit der endgültigen Stille, quasi der GROßEN STILLE, konfrontiert. Das schwarze Nichts, das der eigentliche Grund ist, warum viele Menschen wohl die geräuschlose Ruhe, den ereignislosen Frieden und besonders die innere Stille fürchten. Die GROßE STILLE verlangt uns einen hohen Zoll ab, nichts weniger als Selbstaufgabe. Wir können sie nur akzeptieren, indem wir unsere Endlichkeit hinnehmen, annehmen. Doch Hand aufs Herz: wer kann das schon? Ich meine nicht intellektuell – zu verstehen, dass wir alle sterben müssen und werden, ist naheliegend. Sondern emotional – zu fühlen, wie es ist zu sterben und gestorben zu sein, das kann uns Lebenden nicht recht gelingen (auch Nahtoderfahrungen sind wahrscheinlich nicht „the real thing“). Da der Zustand des Tod-Seins nicht vorfühlbar, also gefühlsmäßig vorstellbar ist, entzieht er sich jeder Antizipation. Wie soll man aber dann den Tod akzeptieren können, außer ihn einfach hinzunehmen, indem man sich selbst (das Bild, das man von sich im Leben hat) und jede Vorstellung, also das Denken selbst, im Angesicht der unausweichlichen Unnahbarkeit des Todes aufgibt? Wer kann man schon groß sein, wenn es darum geht, dem Tod ins Auge zu sehen? Ein Lebender, der dem Ende entgegenblickt. Nicht mehr, nicht weniger. Kein Wunder, dass in diesen Momenten der endgültigen Wahrheit die Zeit stillsteht. Und wenn das Denken und die Gefühle zur Ruhe kommen, weil nichts mehr geht, kommen wir im Augenblick an, willenlos, wolkenlos, wahllos. Ruhe, in Frieden.

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Silver Sounds of Silence: 3

Kampf und Kooperation

Wo liegt die Quelle des Friedens verborgen? Im Inneren des einzelnen. Und in der Funktionsweise von Systemen. Beginnen wir bei Zweiterem: Systeme, die auf Konkurrenz, Gewinnen, Profit oder Machtwachstum basieren, sind auf Kampf ausgelegt. Ok, ein sportlicher oder wissenschaftlicher Wettkampf kann auch zu Höchstleistungen anspornen. Aber die Grundhaltung bleibt: jeder gegen jeden. Diesen Systemen stehen jene gegenüber, die auf Kooperation, Aufbau und Erhalt gesunder Umwelten und fruchtbarer Umstände für alle, sowie auf Verantwortung fußen. Ver-Antwortung bedeutet dabei nicht die moralische Keule zu schwingen, lustfeindlich oder Besserwisser vom Dienst zu sein. Verantwortung meint, sich für das Suchen, Finden und Implementieren von Antworten auf drängende Herausforderungen zuständig zu fühlen. Derartige Systeme brauchen ein Miteinander.

Krieg und Frieden

Sowohl kampfbasierte Systeme als auf Kooperation ausgelegten Systeme können für sich, in sich funktionieren. Sie können eine gewisse Stabilität bieten und Überleben sichern. Sie können vielleicht auch eine Zeit lang nebeneinander, allerdings kaum miteinander funktionieren. Denn sie gehen mit Problemen unterschiedlich um: Kontrolle, Eigennutzen und Unterwerfung aller anderen auf der einen Seite – Analyse, Mitverantwortung und gemeinsames Handeln auf der anderen. Auch die Erlebensqualität für Menschen, die in und nach den Spielregeln der jeweiligen Systeme leben, unterscheidet sich gewaltig: Gewaltausübung macht den Unterschied.

Mut und Stille

Hier kommt die Stille ins Spiel. Und der innere Friede. Sich gewalttätigen Systemen zu widersetzen kann auf verschiedene Weisen geschehen. Mit buchstäblichen Bomben und Granaten – oder mit stillem Widerstand, mit leiser Diplomatie und „unblutigen“ Mitteln wie finanziellen Repressalien. Wer zur Stille bereit und zum inneren Frieden geneigt ist, wird freiwillig innehalten und gewaltarme oder gewaltfreie Lösungen suchen. Den anderen, jenen, die auf Kampf gepolt sind, müssen jedoch diese „gewalt-alternativen“ Daumenschrauben derart weh tun, dass ein Ende von Kampfhandlungen weniger schmerzhaft und vielleicht sogar profitabler wirkt als das Aufrechterhalten derselben.

Ist Friede käuflich?

Kann man Frieden kaufen? Die wirtschaftliche Verflechtung Europas war der Weg des Friedens nach dem zweiten Weltkrieg. Bis die Wirtschaft anfing zu wackeln (Stichwort Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007) und sich die Frage stellte: Gibt es ein gemeinsames Europa, das über wirtschaftliches Wohlergehen hinaus denkt und handelt? Wollen EuropäerInnen einen gemeinsamen Lebensraum der gemeinsamen Werte? Die Herausforderungen gemeinsamen humanitären Handelns plagen diese Frage nach einer Wahl zwischen Gegen- und Miteinander in Europa seit der Flüchtlingsstrom ab 2015 die Schwächen eines rein wirtschaftsbasierten Friedens aufdeckt. Unterm Strich bleibt die Nutzenfrage: Was haben wir vom friedlichen Miteinander mehr als vom gewalttätigen Gegeneinander (Nichts-Tun ist in humanitären Fragen gewalttätig!)? Kann man Menschen, die auf Eigennutz, Überleben und Kampf gepolt sind, die durch Autokratie, Patriarchat, Hierarchie, Gewalt aller Art hindurch zu überleben gelernt haben, die sich entweder als Gewalttäter oder Mitläufer, als Ignoranten oder Opfer mit dem Kampf „arrangiert“ haben, denn von einer gelingenden friedfertigen Gesellschaft überzeugen – ohne, dass eine solche Idee naiv wirkt, lebensfremd, irreal?

Angst und Vertrauen

Was im Kern kriegerischer Handlungen liegt, mag komplex wirken, lässt sich aber wohl auf einen Schlüsselfaktor zurückführen: Angst. Individuelle wie systemisch verankerte Angst. Der einzelne Kriegführende hat Angst um sein Überleben, um das Überleben, dessen, was ihm wichtig ist, um das Bild, das er von sich und der Welt hat. Diese Ängste müssen keine realen Gründe haben, sie bieten aber den Nährboden für die Gestaltung beängstigender Umstände und Erlebnisse. Angst und Gewalt gehen Hand in Hand. Vertrauen und Verantwortung ebenso. In und für sich selbst, in und für andere. Angst geht mit Lärm einher, mit Hyperaktivität. Vertrauen mit Ruhe, mit Stille. Aus dem Stress der Angst entstehen gewaltige Probleme. In der vertrauensvollen Entspannung finden sich lebens- und liebenswerte Lösungen. Aggressoren zu entspannen, bevor profitable und werthaltige Lösungen entwickelt werden, kann helfen. Vertrauenswürdige Handelnde sind dabei der Schlüssel. Ohne menschliche Glaubwürdigkeit der VerhandlungspartnerInnen braucht eine friedliche Lösung verschiedene Orte und Taten, die einer Phase oder einem Zustand der Stille entspringen: neutrale Intervention, neue Player, intensive Reflexion, inklusive Visionen.

Aus der Stille in die Welt

Aus der Sille springt das „Anders“, ihr entstammt das „Mögliche“. Manche beten laut, andere treten leise, um in die Stille zu gelangen. Unsere Zeit braucht alle Wege, die in jene friedvolle Stille führen. Unsere Zeit braucht stille Zonen, die mit einer Fülle möglicher Lösungen schwanger gehen. Tauchen wir ein in den tonlosen Raum, tauchen wir auf aus dem wortlosen Grauen.

Silver Sounds of Silence: 2

peace of mind

Seltene Momente, wenn der Kopf mal Frieden gibt. Ganz still ist es ja bekanntlich nahezu niemals da oben drin. Selbst mit Übung gelingt es eher, das Geplapper weniger ernst zu nehmen, nicht auf Drama-Angebote einzusteigen und die Verführungen der Abwärts- und Aufwärts-Spiralen an sich vorbei ziehen zu lassen, als völliger Aussteiger aus dem eigenen Kopfkino zu werden. Die innere Stimme wird mit der Zeit zur altbekannten Freundin – die sich mitunter wenig weise oder gar überaus fies und mies verhälft. Wir hören, was sich da aus den Tiefen unserer Sozialisierung und angesammelten Vorurteilen heraus offenbart, ohne die Inhalte je völlig verändern oder gar die ganze Stimme loswerden zu können. Aufmerksamkeitsverlagerung macht aber eine friedliche Koexistenz möglich. Konzentration auf den Atem, auf den Raum zwischen den Gedanken, auf die Stille hinter dem Strom der wiederkehrenden Kommentare, die die Vergangenheit ohne Ende wiederkäuen oder alles und jeden bewerten. Das Spiel, wer im eigenen Kopf das Sagen hat, geht so lang, bis durch ein gerüttelt Maß an Übung das übliche Gelaber zunehmend leiser wird und in den Hintergrund tritt. Aus dem gewonnenen Freiraum heraus spricht dann mitunter jemand anders zu uns. Weise, witzig, überraschend, inspirierend – mehr als wert, in die unbekannte Stille reinzuhören.

peace of body

Hand aufs Herz: wer fühlt sich in seinem Körper immer wohl? Wem tut nicht viel öfter irgendetwas weh? Kopfschmerzen durch das Laptop/Handy-Nackensyndrom. Rückenschmerzen durchs viele Sitzen. Uvm. Wie kann der Körper Frieden finden – nicht den letzten, sondern den im Leben – wenn die Nerven durch andauernd neue Anforderungen und aufregende Informationen ständig aufgerieben werden, wenn die Bewegung permanent zu kurz kommt, das Essen zu schnell, zu fett, salzig, kohlehydrat-lastig und zuckrig ist? Die Arbeit zu viel, die Menschen zu anstrengend, das Autofahren zu lang,… – die Lebensumstände schlicht körperfeindlich sind? Der Alltag ist für viele wenig lebenslustig, die Freizeigt zum Ausgleich wenig körperfreundlich (Stichwort Couchpotatoe).

Einen fröhlich gestimmten Körper im beständig schmerzfreien Gleichgewicht, den haben nicht mal jene, die sich supergesund ernähren, ständig Laufen, ins Fitnesscenter oder Radfahren gehen und Yoga machen. Warum nicht? Weil das Leben uns in jedem Moment neu herausfordert, uns anzupassen und wir nicht immer hinhören. Worauf der Körper die vielen oftmals ignorierten Ungleichgewichte unseres Lebens ausdrückt. Außerdem gilt: Wer nichts tut, dem tut alles weh. Wer zu viel tut, dem auch. Und „Nichts“ wie „Zuviel“ sind situationsbedingt unterschiedlich gesund oder zielführend.

Das Gleichgewicht zwischen körperlicher, geistiger, seelischer und emotionaler Unter- und Überforderung jeden Tag aufs Neue herzustellen, gelingt wohl nur den wenigsten. Und der Körper badet aus, was im Argen oder Dunkeln liegt. Was also tun? Still werden. Schmerzen wahrnehmen, annehmen, reinatmen. Langsamer werden. Die Weisheit des Alters kommt mit dem permanenten Schmerz. Das wissende Lächeln kommt mit der Akzeptanz der lebensimmanenten Überforderung, die zum ständigen Begleiter geworden ist, der – sofern wir ihn wahrnehmen – langsam mehr Raum gibt, ohne je zu verschwinden. Die gezielte Dehnung der verkrampftesten Stellen zeigt den effizienten Umgang mit Schmerz: reingehen, Platz schaffen, das Sosein zulassen, auch wenn‘s wehtut. Das Leben ein- und das Leiden ausatmen. Vereinzelte Momente des Friedens im Körper genießen. Im Wissen, dass der Schmerz wie die Schmerzfreiheit wie Wellen kommen und gehen, mal intensiver, mal weniger präsent, ruhig werden. Im Anerkennen, dass alles was ist, immer wieder vorübergeht. Dankbarkeit empfinden.

peace of emotion

Gleichmut, das Zauberwort. Mittendrin in aller Nervosität, Agitiertheit, Aufregung, Intensität ist der Beobachter immer dabei. Wie die Nabe eines Rades kann man sich in jenen glücklichen Momenten darauf besinnen, dass nicht nur die action da ist, sondern auch eine innere Instanz der nicht-Aktion. Das Innehalten, die Wahlfreiheit. Sie haben einen Ort im Bewusstsein. Wem diese Position unbekannt oder suspekt ist, der bleibt gefangen im Auf und Ab, denn Hoch und Tief gehören einfach zusammen. Wer hoch fliegt, kommt wieder runter. Wer unten ist, kann sich dort eingraben (das geschieht paradoxerweise oft, um sich vor einem neuerlichen Fall zu schützen) oder neue Kraft und Mut für die nächste Runde sammeln. Wer oben ist kann sich kaum dauerhaft oben halten. Die meisten leben wohl in beständiger „mal höher-mal tiefer“ Fliegerei.

Gleichmut ist nun so etwas wie eine konstante Mittellinie, die alles, was man erlebt und wie man es erlebt neutral durchzieht. Ein bisschen wie das gleichförmige Piiiiiep der lebenserhaltenden Maschinen, nachdem es kein Leben mehr zu erhalten gibt. Die Gleichförmigkeit, der gleiche Geschmack der ewigen Mitte, können Angst machen. Davor, dass das Leben dann öd und fad wird oder gar vorbei ist. Deshalb ist der Friede im Gefühlsleben so unendlich kostbar und selten. Nicht nur weil er meist nur vorübergehend ist, sondern weil er sich diesseits der Angst befindet. Nicht umsonst heißt es „Zu-Frieden“heit. Wer mit sich und dem Leben im tiefen Frieden ist, braucht nicht mehr zu suchen, zu laufen, etwas aufzubauen oder niederzureißen, sich oder andere mit Ansprüchen und Anforderungen, Erwartungen oder Perfektionismus zu quälen. Aber wer will das schon? Denn: Was dann?

peace in motion

Wir sind gewohnt, dass sich alles ständig verändert und dennoch wiederholt. Damit es neu und aufregend, sicher und kontrollierbar zugleich bleibt. Jeden Tag aufs Neue Essen, Schlafen, Tun und Ruhen. Unser Verhalten will mit Wohlgefühl belohnt werden, unser Wohlgefühl will aufrechterhalten werden, alles, was nicht optimal ist, soll verändert, alles, was erstrebenswert ist, soll miteinander in verstärkende Resonanz treten. Zu viele Ansprüche, die sich per Definition nie selbst genügen. Bewegung geschieht von allein. Sie sein lassen reicht vollauf.

peace in relation

Friedvolle Beziehungen ohne Langeweile. Klingt wie die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau. Unerreichbar illusorisch. Und dennoch. Vielleicht treffen einander mal Menschen, die die Verantwortung für ihre eigenen Zustände, Umstände und Gefühlsstände übernehmen. Die ihre unerledigten und unbewussten Konflikte nicht nach Außen tragen, sondern sich selbst damit auseinandersetzen. Die in sich ruhen und andere in Ruhe lassen. Die sich am anders und eigen sein erfreuen. An sich selbst und am Gegenüber. Schweigen ist nur dann Gold, wenn das Reden nicht der Quelle des inneren Friedens entspringt. Ansonsten möge der silberne Klang der inneren Stille uns alle zu Poeten des Alltags machen.

PS: dieser Text ist nicht gegendert, da er vom Menschen an sich spricht

Silver Sounds of Silence: 1

Die Kraft der Stille“…

…klingt a. wie ein plattes ausgelutschtes Wortbild und b. wie ein schrecklich langweiliges Thema. Mitnichten.

Weder ist die Kraft der Stille für die meisten Menschen „einfach so“ als Energiequelle anzuzapfen. Noch ist die Stille öd und fad, weil sich darin nichts tut. Ganz in beiden Gegenteilen finden sich wahre Unge- und immense Reichtümer sowie ungeahnte Ressourcen.

Wo die Monster lauern

Fallen die äußeren Störungen erstmal weg, so fallen wir hinein ins magische Wunderland der inneren Kämpfe, der erlebten Niederlagen, der erfahrenen Verletzungen, der inneren Dämonen. Wie in einen dunklen Brunnenschacht werden wir im Grenzland zur Stille tiefer und tiefer in unsere eigene Geschichte, in unsere vielfältigen Verstrickungen und unaufgelösten Themen hineingezogen – in all das, was wir wohlweislich bei wachem Verstand schön wegsperren. Am Eingang zur Stille lauern lauter Tretminen, unsichtbar, doch mit der schmerzhaften Macht uns zu erschüttern bis zu verschütten. Da zeigt sich all das Unangenehme, Gewesene, Verweste, das, was in der Tiefe darauf lauert uns anzufallen, sobald sich die Schleier der Gewohnheiten und die Lautheit des Alltags verzogen haben.

Spannend eigentlich, was sich da so alles offenbart – sofern die Angst nicht überhand nimmt. Wie die Tiere eines Zoos betrachtet man am besten, was tief drinnen schlummert und wummert, wenn die Stille jung ist. Was sich sonst meist nur in Träumen, Kunstwerken oder unbewussten Handlungen mitteilt. Sehen wir die bunte Vielfalt unserer Monster genauer an, so verkörpern sie Schmerzen aller Art. Das Leid hat viele Gesichter, und unser eigenes Leiden hat seine speziellen Formen. Betrachten wir unsere Monster in aller Ruhe, blicken wir ihnen mit offenen Augen ins Herz, so verlieren sie ihren Schrecken. Und die Dämonen, die uns zuvor zu immer neuen Handlungen angetrieben haben, die uns im Alltag jenen unsäglichen Druck gemacht haben, andauernd alles möglich Sinnlose und Stressige zu tun, nur um unseren Monstern nicht zu begegnen, – sie ziehen vor Langeweile von dannen. Um die sie nährende Aufregung woanders, in noch tieferen, dunkleren Schichten zu suchen, oder um im Lichtkegel ihres Erkanntwordenseins schlicht zu verdampfen.

Wo die Juwelen warten

Warum ist es dennoch so schwierig, in der freigesetzten Stille zu verweilen – selbst, nachdem man den eigenen Monstern die Hand gereicht hat und die Dämonen verschwunden sind? Weil die Stimme im Kopf, die Gefühle im Herzen und die Spannungen im Körper immer noch jede Menge Lärm machen. Selbst wenn ihnen klare Aussagen zu fehlen scheinen. Es ist immer etwas los da drinnen.

Nachdem die Monster also friedlich in unserem Seelengarten zu grasen begonnen haben, fegen Stürme an ungeordneten Sinneseindrücken über unsere innere Landschaft hinweg. Wandern wir langsam unter den Wolken durch, hinein in die Mitte des Sturmes, in sein Auge,  so finden wir mittendrin einen See. Den See der inneren Ruhe, mit spiegelglatter Oberfläche. Die Sturmböen vermögen ihn nur ab und an leicht zu kräuseln, die Berge an bereits bewältigten Brunnenschächten herum verhindern, dass sie ungehindert wüten können. Wir können jedoch gezielt Steine in unseren See hineinwerfen -etwa Fragen, die uns beschäftigen- und den konzentrischen Kreisen, die sich um die Frage bilden, beim Ausbreiten zusehen. Manchmal bekommen wir unmittelbar Antworten wie ein klares Echo aus den Bergen. Manchmal blicken wir in aller Stille auf und in den Wasserspiegel. Betrachten uns selbst ungestört und unverzerrt. Werden eins mit dem Menschen, der wir sind, wenn alles Andere wegfällt.

All dies funktioniert nur dann, wenn das Alleinsein überhaupt zum Selbstsein führen kann, also sofern diese Entwicklung nicht von Vorneherein verhindert wird. Etwa dadurch, dass das Mit-Sich-Sein als eine unfreiwillige Pflicht, als eine Einschränkung oder gar als quälende Einsamkeit interpretiert wird. Oder wenn das Fehlen äußerer Reize und jeglicher Pläne als elende Langeweile bzw. „missing out“ empfunden werden. Sind wir jedoch offen für das Unbekannte hinter unseren Erwartungen öffnet sich der Zugang zu unserem See der inneren Wahrheit. Hier, an seinem Ufer lernen Bedürfnisse und Sehnsüchte mit dem Vorhandenen zufrieden zu werden. Vielleicht stellt sich ein Gefühl von Dankbarkeit, von Freude, am Leben zu sein, ein. Vielleicht auch ein Eindruck von Unbegrenztheit. Jedenfalls ein Zustand der Tiefenentspannung.

Zufriedenheit bedeutet nichts anderes, als dass man mit sich selbst im Frieden ist, mit sich in Frieden lebt. Kommt man aus der friedlichen Innenwelt nach „da draußen“ zurück, so umhüllt uns die innere Stille wie eine Art Rundum-Schild. Sein Kraftfeld der Ruhe dimmt die Lautheit der Welt, ent-stresst die Geschäftigkeit des Alltags, zumindest eine Zeit lang. Bis alte Automatismen oder noch im Dunkeln verweilende Elemente unserer Geschichte wieder das Ruder übernehmen wollen…

Wo die Kraft zu Hause ist

Das Umspannwerk der Stille arbeitet mit unaufgeregter Intensität. Seine Energiequelle liegt im Raum des Nichtstuns verborgen. Heute ist es vielleicht gar nicht mehr nötig, jahrelang in einer Höhle zu meditieren, um dieser Kraft zu begegnen. Corona machts möglich: Wir bekommen immer wieder die Chance, uns selbst im Stillen zu begegnen, mit unseren Themen ins Reine zu kommen, mit uns Frieden zu schließen. Die Welt erscheint täglich verrückter und wir wissen nicht, wohin sich alles entwickeln wird. Aber gewollte oder unvermutete Phasen der Zurückgezogenheit geben uns die Chance, zumindest dem Krach unserer Gewohnheiten zu entkommen. Damit sind wir auch besser gewappnet für alles Ungewohnte. Ungestörtes Alleinsein öffnet uns auf vielen Ebenen die Tür zu einem besseren Leben und schenkt uns ein neues Verhältnis zu unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nutzen wir diese Chance!

Dieser Blog klopft 2022 an verschiedene Tore der Stille an. Tore, durch die wir in neue Sphären spähen und gehen können. Willkommen zu einem Abenteuer der anderen Dimension…

Surprising Salon Session No 8: Die Macht des Happy Peppi

Und golden glänzt der Plastikgott

Mit jedem kurzen Blick auf den kleinen lachenden Buddha ploppt ein anderes unerwartetes Gefühl auf. Oftmals sind es widersprüchliche Signale, die er zugleich aussendet: Wie die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings ihren direkten Weg zum Herzen finden und es höher schlagen lassen, so lockt im selben Augenblick die bittersüsse Unerfüllbarkeit tiefster Wunschträume. Wie das Lachen unmittelbar wirkt, so schleicht sich doch der Zweifel sogleich ein. Wie das wertlose Gold seiner Hülle an den eigentlichen Wert der kleinen Dinge erinnert, so sehr zerfließen die wabbelweichen Konturen der kleinen Staute in die unformige Masse eines Massenproduktes.

Er lacht jeden aus, der glaubt, Glück und Fröhlichkeit kaufen zu können. Und er peitscht seine Überzeugung, in jeder Lebenslage vollkommen sein zu können, quälend in die Bedenken der Hoffnungslosen. Er ist viel zu beliebig, um ihn ernst zu nehmen. Und er ist viel zu wirksam, um ihm seine höchst eigenartige Qualität abzusprechen. Wie kommt es, das ein kitschtriefendes Symbol für den zeitlosen Zustand höchster Freude solch bunte Wellen vielfältiger Deutungen spürbar zu machen versteht? Der Kleine kann was. Happy Peppi verkörpert die Macht des grenzenlos Guten – und lacht jeden aus, der daran glauben will, statt das leise Lachen, am Leben zu sein, in sich spüren zu wollen.

Das Lichte am Göttlichen

Das Gute am Gottesglauben ist die unendliche Projektionsfläche, die er uns bietet. Wer suchet, der kann in seiner aufs Göttliche hin ver-äusserten Vorstellung auch tatsächlich, weil fühlbar, finden. All das Unglaubliche findet in der Gottesvorstellung ebenso viel Raum wie all das Ideale. Natürlich nur in der unzensierten Version, einer Variante, die nicht vor institutioneller, die unendlichen Möglichkeiten limitierenden, Regeln strotzt. Nun unterscheidet sich der geschmeidigglatte asiatische Buddha fundamental von der Sorte mit mächtigem Bartwuchs, die weiter westwärts vorherrscht. Seine Bedeutung als Repräsentant der Möglichkeiten in uns macht andere Türen auf als der klassisch abend- oder morgenländische Gott mit maßloser Allmacht über uns. Aber als Projektionsfläche für alles Wünschenswerte können prinzipiell beide gleichermaßen dienen. Betonung auf „dienen“: Als Mittel zum Zweck der Selbsterhellung, zur effektiven Erleichterung des Daseins, als großer, warmer Rahmen, indem man sich als Bestandteil eingebettet sehen und fühlen kann. Oder auch zur klaren Orientierung für eigene Entscheidungen, etwa durch die Beantwortung moralischer und ethischer Gewissensfragen, trägt eine Gottesvorstellung wunderbar zum besseren Leben bei. „Besser“ im Sinne von lichter, leichter, heller, liebender, lächelnder. So macht Glauben tatsächlich, weil erlebbar, Sinn. Das lächelt mir zumindest der kleine Plastikbuddha in diesem Moment zu. Happy Peppi kann aber noch mehr. Er strahlt zugleich das Wissen aus, das all das Glauben, Wissen und entsprechende Sein aus dem Tiefen meinerselbst kommen. Wobei „meinerselbst“ größer, weiter und breiter zu lokalisieren ist, als die Stimme meiner Gedanken oder die Haut meines Körpers dem „Ich“ an Form und Ausdruck verleihen. Wenn das Ich aber so entgrenzt definiert und empfunden wird, wo hört da das Wissen auf und fängt dann das Glauben an? Anders gefragt: Was hilft gegen die schleichende Verlockung des Fanatismus?

Friede, Freude, Freiheit!

Gegen den Wahnsinn des Fanatismus, also der felsenfesten Überzeugung mit der eigenen Sichtweise rechter als alle anderen zu haben – und diese Sichtweise mit Gewalt allen anderen vermitteln zu müssen – hilft kein sachliches Argumentieren. Fanatismus ist ein Ausdruck der Sehnsucht nach Anerkennung, Zugehörigkeit, klaren Regeln, sinnhaftem Leben in einer überschaubaren Welt mit eindeutigem Richter (der strengen Gottesfigur oder dem absoluten Ideal). Unter Fanatismus fällt aber auch schon die drohende Enge von fixen Ideen und das starre Regelwerk aus unterdrückenden Verhaltensvorschriften. Gegen alles, was uns selbst und andere klein macht und machen will, unterdrückt und unterdrücken will, verletzen, schlagen und verängstigen will, hilft vor allem eines: Vorbilder. Starke friedvolle, freudvolle Freigeister. Nicht nur im Umkreis von Fanatismus-gefährdeten Menschen. Unsere (europäische/westliche) Gesellschaft befindet sich derzeit in einem allseits wahrnehmbaren Phasenübergang. Von der Starre – aber auch Planbarkeit und Überschaubarkeit – der Vergangenheit in einen entgrenzten Möglichkeitsraum. Manche wollen zurück. Und weil das Zeitreisen in die Vergangenheit nicht geht, landen sie im Fanatismus ihrer ersehnten Vorstellung einer Goldenen Zeit.

Let it shine

Wir haben unsere Zukunft mit jedem Atemzug in unserer eigenen Hand. Wir sind es, die uns mehr oder weniger Möglichkeiten einräumen, die der einen oder anderen Vorstellung eine Goldene Aura verleihen. Wir sind es, die einander im friedlichfröhlichfrei-Sein bestärken oder aber behindern. Wir sind es, die einander vertrauen, uns einander zu-muten, so wie wir sind. Mit all dem Happy Peppi in uns. Lange Zeit war es verpöhnt und galt es als unseriös, einfach strahlend oder glücklich zu sein. Wer Verantwortung trägt, hat gefälligst ernst, vom Ernst der Lage erschüttert, in seinen Bewegungen von der Schwere der Situation eingeschränkt zu sein. Schluss damit. Verantwortung kann auch anders aussehen. Friedlich, fröhlich und frei im Geist, in Herz und Handlung. Machen wir uns nicht mehr lächerlich und kleiner als wir sind, indem wir Angst davor haben, uns mit unseren guten Gefühlen lächerlich zu machen. Enge führt nur zu mehr Enge – oder zum Kettensprengen, das meist mit einer Form von Gewalt zu tun hat. Vielleicht gibt es deshalb selbstmöderische Attentäter. Weil sie selbst keinen Ausweg aus der Enge des starren Gaubenssystems sehen, als sich selbst mit Haut und Haar und Gewissen den strengen Regeln hinzugeben. Wer die innere Weite und Größe, das unfassbare Geschenk des Lebens nicht spüren kann (da geht es absolut nicht ums Glauben), der ist für die harte Kälte des Kleingeistes – und ein solcher Geist ist immer klein, weil er klein macht, ganz egal wie großspurig und allmacht-heischend er daher kommt – empfänglich. Lassen wir diese Welt spüren, worum es geht. Heute, morgen, den Rest unseres Lebens. Egal, was da kommt.

Simply: Göttlich

Der winzige Plastikgott leuchtet aus dem gemütlichen Mittenrund eines güldenen Kerzenquadrats heraus. Quasi als Flammenersatz erhebt er sich strahlend aus ihrem Zentrum. Die Kerze selbst ist aus einem zersplitterten, alten, spröden Kerzengold, das in starkem Gegensatz zur Weichheit des wohlgerundeten Happy Peppi steht. Das Trockene der Kerze und das Saftige am Buddha, die podesthaft luftige  Höhe, in der er in der erdigen Mulde thront, bilden eine sinnlich mehrdimensionale Einheit. So Banal, so willkürlich, so ohne Preis. So voller. Voll von