SUNKEN SPIRIT SANCTUARY No 1

Vom Frust und zum Trust

Jetzt, „nach“ Corona, fühlen sich hierzulande die Hälfte der Bevölkerung schlechter als zuvor und Europaweit so viele junge Menschen deprimiert wie noch nie. Dieses Jahr möchte ich mich daher dem hartnäckigen Gefühl der Niedergeschlagenheit widmen – und der angeknacksten Seele die eine oder andere Hängematte bauen. Mitnichten mit dem Anspruch therapeutisch oder gar heilsam zu wirken, selbstverständlich. Vielmehr anregend, Anregungen zur Selbsthilfe anbietend, quasi. Im besten Fall durch Ideen, die nicht bereits völlig breitgetreten wurden (und vielleicht trotzdem nicht geholfen haben). Das mit der angepeilten Hilfestellung meine ich durchaus persönlich, denn auch ich gehöre zur Hälfte derer, die sich in dem schon länger hinziehenden Zustand von „wann ist Corona endlich vorbei – und wann fühle ich mich endlich besser?“ befinden. Post-coronale, offenbar Richtung „dauerhaft“ verbleibende Nachwirkungen permanent spürend, einen ausgelaugten Energiehaushalt mitschleppend und mit einem Hirn ausgestattet, das seltsam anders als „zuvor“ zu funktionieren scheint, betrifft auch mich die Tendenz des seit 2020 gesunkenen Spirits. Der Blog 2023 soll also unter dem Motto der Selbstwirksamkeit (s.u.) auch mir selbst helfen, aus emotionalem Dauerfrust, anhaltendem Körpertief und der spürbar nagenden Negativität nachhaltig unangenehmer Weltnachrichten und Weltaussichten etwas auszusteigen. Und zu einer Art Grundvertrauen (zurück?) zu finden, das danach hoffentlich wie Unkraut immer da bleibt bzw. immer wieder auch ohne es bewusst zu wollen aus dem Nichts heraus sprießt, egal, was rundherum und sogar im Körper drin passieren mag.

Vom Warten zum Wirken

Studien zum Umgang mit Niedergeschlagenheit belegen, dass Selbst-Wirksamkeit the way to go ist. Self-Care, also das Verantwortung-Tragen für den eigenen körperlich-seelischen Zustand und damit das aktive Umsorgen seiner selbst gehören zum Herausfinden aus einem tiefen Loch genauso dazu wie das Unterbrechen von negativen Gedanken(spiralen) und das Bewusstmachen der eigenen konkreten und diffusen Ängste, die nagenden Raubbau an jeder guten Stimmung betreiben und immer wieder zum Umpolen der eigenen Energieladung von Plus auf Minus beitragen. Wirksame Selbsthilfe beginnt bei der Einstellung zu sich selbst. Um überhaupt für sich sorgen zu wollen, muss man sich selbst zumindest ein bisschen mögen und wichtig nehmen.

You are extraordinary and I love you.

Mit dieser Affirmation drücken etwa US-Coaches aus, was als ein ganz grundlegendes Ziel des verantwortungsvollen Umgangs mit sich selbst gelten kann: Self-Love. Auf deutsch wirkt so ein Satz, den man sich selbst sagt, leicht pathetisch. Den eigenen Selbstwert allerdings nicht an Leistungen und unerreichbaren Erfolgsbildern festzumachen, sondern als gegeben anzunehmen, einfach so, ist allerdings auch in Europa ein wesentlicher Schlüssel zur inneren Unabhängigkeit. Überhaupt: Die Freiheit, so zu sein wie man ist, mit allen Eigenarten, Unzulänglichkeiten und Schmerzen, gehört zum Anerkennen der eigenen Person wie die Henne zum Ei. Doch wie kommt man zum „grundlosen“ Annehmen seiner selbst, nicht nur in guten, sondern eben auch in schlechten Tagen? Wenn man sich so gar nicht leiden kann – und darunter leidet. Quick Fix gefällig? Der erste Schritt mag banal anmuten, wirkt aber: verändere den Zustand, in dem du dich befindest.

Von Worten zu Wolken

Nichts, was ich schreibe, wirkt so sehr, wie ein Blick aus dem (geöffneten) Fenster, auf den Himmel oder in die Natur hinein, vorzugsweise auf ein bisschen oder auch mehr Wasser. Idealerweise mit ein paar oder mehr Schritten verbunden. Grün und Blau plus Bewegung – seiner selbst und der Optik, frische Luft – und schon geht die Atmung tiefer und werden negative Gedanken abgelenkt von vielen kleinen glitzernden und raschelnden Eindrücken. „Der Aufenthalt am Wasser macht uns fröhlicher und entspannter“ schreibt der Standard („Warum wir uns am Wasser so wohlfühlen“ vom 12.03.23). Entsprechende Studienergebnisse beziehen sich aber eben auch auf die grüne Natur: Puls und Blutdruck gehen nach unten, es werden weniger Stress- und mehr Glückshormone ausgeschüttet, was wiederum zu besserem Schlaf führt. Selbiger erhöht die Regenerations- und Resilienzfähigkeit und steigert die Ausgeglichenheit, Konzentration und Kreativität. Die erste „Zuflucht“ (als Übersetzung von „Sanctuary“) für die gequälte Seele lautet damit: Grün und Blau – Natur, Luft und Wasser. Raus mit uns. Und wenn‘s nur Rausschauen ist. Vielleicht auch ein bisschen Meeresrauschen dazu streamen. Wer auf einem Wölkchen des Wohlgefühls sitzen will, muss nicht aufs Jenseits warten, noch ist unsere Welt himmlisch schön, wenn wir sie denn wahrnehmen. Das mit der Selbstliebe, kommt mit dem Wohlerfühlen ganz automatisch. Und wenn nicht: Blog 2023 weiter lesen kann nicht schaden…

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Silver Sounds of Silence: 7

Living in the Meantime, Twilight rules the World

Stille muss sich weder auf Geräusche noch auf Gedanken beziehen. Die Stille im Kopf und die Stille im Raum sind bloß zwei gängigere Aspekte einer Vielzahl von Möglichkeiten, in diese eine seltsam erfüllende Leere zu finden, die sich jedes Mal aufs Neue und anders gestaltet als zuvor oder erwartet. In den Blogeinträgen 2022 dreht sich alles um naheliegende wie weniger bekannte Zugänge zu ebendiesem überraschend angenehmen Zustand, der nicht nur zu innerem Frieden, sondern auch in die Zu-Friedenheit führt: Etwa um sensory deprivation (den Entzug der Dauerbespielung aller Sinne), um den Zwischenraum hinter den Gedanken oder um den Weg des Heiligen Nichts-Tuns. Heute geht es um die Zeit als Tür zum Frieden, genauer gesagt um die wohl genutzte Zwischenzeit. Um das ereignislose, ergebnislose Warten. Um jene anstrengungslose Präsenz, die eher nebenbei geschieht als dass sie bewusst herbei-meditiert werden könnte.

Das Warten und das Wunder

Warten beim Zahnarzt, Warten an der Supermarktkasse, Warten an der Bushaltestelle. Warten zählt zu jenen ungewollten Nicht-Aktivitäten, die uns meist aufgezwungen werden, die unseren Tatendrang bremsen, die verhindern, dass wir etwas Unangenehmes endlich hinter uns bringen können oder die verursachen könnten, dass es zu spät für etwas Angenehmes sein wird. Warten ist ein wunderbares Übungsfeld um auszusteigen aus Er-Wartungen. Im Warten die Fülle des Seins einfach sein zu lassen ohne gedanklich, gefühlsmäßig oder tätlich einzugreifen, öffnet eine Tür zum Unbekannten. Wer sich auf das Warten einlässt gleitet in eine Art Parallel-Existenz, in der sich die gewohnte Welt in einer völlig frischen Farbpalette widerspiegelt, in der Menschen wie Aliens wirken (so sie das nicht soundso andauernd tun) und in der die Situationen, in denen man sich wiederfindet, irgendwie grotesk anmuten. Das Leben wird plötzlich seiner Selbstverständlichkeit beraubt, mit dem Zauberstaub des Neuen bezuckert, mit einer Art Magie durchdrungen erlebt, die das Wundern zum Normalzustand werden lässt. Das Wunder des Lebens begegnet uns ja sonst meist nur in Extremsituationen. Wenn wir einen Unfall oder eine schwere Krankheit überleben, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, wenn wir unvermutet eine körperliche oder geistige Höchstleistung vollbringen, wenn die Natur uns mit ihrer Gradiosität unvermutet den Atem raubt. Dabei wäre das Wunder des Lebens allzeit bereit für uns – ja, das Wunder wartet geradezu auf jeden von uns…

Im Wartehäuschen des Lebens

Es gibt eine Menge Menschen, die ExpertInnen des unzufriedenen Wartens sind. Die sogar nicht nur in gewissen Situationen, wie oben beschrieben etwa beim Zahnarzt, mehr oder wenig ungeduldig auf ein Ereignis oder Erlebnis warten, das sie abhaken können, um weiter voranzuschreiten, wohin auch immer. Sondern die sogar ihr halbes bis ganzes Leben in einer Art Dämmerzustand des Wartens verbringen. Die sich als Kind vom Leben Großes erhofften, die sich als Erwachsene von ihrer Beziehung, ihrem Job, ihren Kindern oder ihrem Alltag Größeres er-warteten. Statt das Wunder des Seins mit jedem Atemzug tief in sich einzusaugen, vegetieren sie eher in einem selbstgebauten Wartehäuschen ihres Lebens dahin – ein Wartehäuschen, an dem der Bus, der Zug, das Raumschiff des „wahren Lebens“ irgendwie niemals eintreffen. Für sie ist das Warten ein Dauerzustand geworden, der verhindert, dass sie jemals irgendwo begeistert einsteigen und willkommen von den anderen Reisenden irgendwo mitfahren würden, oder gar je ein Gefährt selbst steuern werden.

Warten auf das „echte“ Leben, so wie es „sein soll“, heißt: Warten auf den Tod. Nun bietet das Gewahrsein des Todes tatsächlich wiederum eine Tür in den immensen Zwischenraum des Lebenswunders, der sich eröffnet, sobald jede Erwartung ans Jetzt wegfällt. Doch wer es sich gemütlich im Wartehäuschen seines Lebens eingerichtet hat, für den bedeutet der Tod meist nur die Endstation, die -gerade weil man sich im Warten, im Leo, nicht in Bewegung befindet- soundso unerreichbar, wie nicht-existent erscheint. Das Warten hat also einen unfassbaren Vorteil: im Warten scheint man ewig ausharren zu können. Nur dass halt das Leben an einem vorbeizieht… Die ewig Wartenden argumentieren und handeln sich dabei den eigenen Dämmerzustand schön: Essen, Trinken, Spielen, Bingen aller Art. Die Wartezeit tot zu schlagen kann so entertainend sein. So verführerisch, dass sich der Alltag im Wartehäuschen in ein ewig rollendes Rad aus Geldverdienen und Belohnen verwandelt, in dem sich die Träume und Ängste von gestern in den Serien von heute wiederfinden.

Der Ausstieg wird zum Einstieg

Wie man also aus dem Wartehäuschen des Lebens heraustritt, lautet die alles entscheidende Frage. Durch Unterbrechung des Gewohnten, durch Konterkarieren des Er-Warteten, durch einen Schritt seitwärts, durch einen lustvollen oder zaghaften Hüpfer ins gänzlich Unbekannte. Durch eine Aus-Zeit vom Alltäglichen, durch ein Nicht-Befriedigen von Süchten, ein Innehalten im Suchen, ein Enthalten der Sehnsucht. Durch das Offenlassen der eigenen Wünsche, gerade wenn sie sich als ewig bunter Farbkasten sinnlicher Vergnügungen tarnen. Durch ein beobachtendes Wahrnehmen jener physisch-psychischen Leiden, die sich aus Gewohnheit als die eigene Identität verkleiden. Runter mit den Masken, hinter denen sich zu verstecken normal geworden ist. Runter mit dem Pflaster, das statt zu schützen nur verdeckt, was an die Luft will. Schluss mit dem So-Tun-Als-Ob, dem Es-Wird-Schon-Werden. In der Zwischenzeit, im Zwischenraum, im Inzwischen-Sein rauscht das Blut durch die Adern, klopft das Herz den Takt, vibriert das eigene Leben. Was dann? Nichts dann. Weil Alles und mehr auf einmal da.

SUPER SIMPLE SOLUTION No 18 – Wirklich Wahr?!

„Streben nicht alle Menschen nach der Wahrheit?“ fragte mich unlängst eine Freundin.

„Nein!“ wollte mein erster Impuls, schneller als der Schatten meines bewussten Verstandes, seine vor-urteilende Pistole ziehen. Ich zügelte meine Zunge und sprach: „Wahrer, weil näher an der Wirklichkeit, wäre es, das Wort Wahrheit durch Wahrhaftigkeit zu ersetzen.“

Wahrhaftigkeit verstehe ich als den Versuch, seiner inneren Wahrheit gemäß zu leben. Wahrheit in diesem Sinne wird als die eine Wirklichkeit verstanden, die nur im Auge des Subjektes der (Selbst)Beobachtung liegt. Dort, im Auge des Betrachters wird sie überhaupt erst geboren, hier hat sie ihren Ursprung und hier wird ihre Existenz bestätigt. Wahr-scheinlich strebt jede*r danach, ein derart wahrhaftiges Leben zu führen, ein mit sich stimmiges Leben. Ein Leben, in der Haft der eigenen Wahrheit, unter dem Zwang der eigenen Wirklichkeitswahrnehmung. In der Suche nach der beständigen Bestätigung der eigenen Selbst- und Weltsicht, auch wenn sie sich wandelt, finden so manche „sich selbst“ und „ihre Wahrheit“. Immer wieder. „Die Wahrheit“ fühlt sich unter diesem Blickwinkel dann erst besonders wahrhaftig an, wenn ein Erlebnis oder eine Erkenntnis die eigene Wirklichkeitserfahrung aus der Vergangenheit, inkl. der daraus resultierenden Erwartungen für die Gegenwart und Zukunft, bestätigt. Wahr ist, was sich richtig – weil erwaHrtet- anfühlt. Wird die ErwaHrtung gebrochen, muss die Wahrheit erneut gesucht, der Sinn wieder verliehen, die Bestätigung aufs Neue erzielt werden. So wird das der Wahrhaftigkeit gewidmete Leben zu einem Perpetuum Mobile aus der Suche nach der Wahrheit im Erleben einer Wirklichkeit, die mit Hilfe des entsprechenden Wandels von Selbst- und Weltbildern erkannt wird.

Wahrhaftigkeit versus Wahrheitsglaube

„Die“ absolute, einzige, „echte“ Wahrheit suchen manche im Glauben: An ein höheres Wesen, oder auch an wissenschaftliche Objektivität. Eine grundlegende Subjektbezogenheit des Glaubens an sich ist in beiden Fällen argumentierbar: Einmal ist es die Annahme einer überlegenen Wesenheit. Sie ist ja auf allen Ebenen überlegen, stärker, weiser, absolut all-umfassend. Es ist ein Jemand, der/die/das alles kann, sieht, weiß und sogar ist – und sich dieses „Alles“ auch noch bewusst ist, darin herrschen, schalten und walten kann, wie er/sie/es will. All-Mächtigkeit. Wunsch oder Wirklichkeit, wer kann das schon feststellen? Im als wahrhaft empfundenen Glauben und dem tiefen Wunsch nach einer entsprechenden Wahrheit, zeigt sich die Wesenheit des Glaubenden. Dieses Wesen-tliche waHltet in der Wirklichkeit, verwaHltet die Kriterien für eigene Wahrhaftigkeit. Die Wahl  entlässt die Wesenheit und ihre Wahrheit in die Welt.

Der andere Glaube, derjenige an eine rationale, objektive Realität, die wissenschaftlich nachweisbar so und nicht anders existiert, enthüllt spannender Weise eine ähnliche Quelle für Wirklichkeit (was sich natürlich aus meiner Art der Wirklichkeitsbetrachtung ergibt): Den Wunsch nach einer eindeutigen, definitiven Realität. Wissenschaftliche Wirklichkeitsdarstellungen nehmen mittlerweile immer öfter die Form von WAHRschein-lichkeiten an. Methodisch betrachtet ergibt sich etwa aus der Übereinstimmung und den Abweichungen von These und Untersuchungsergebnis ein mögliches Bild der Annahme über die Wirklichkeit, das mit „Der Wirklichkeit“ gleichgesetzt wird. Die konzepthafte Selbstbezogenheit dieser „Verifikationsprozesse“ wird in vielen Disziplinen erstaunlich wenig beachtet.

Klar ist, dass wir jeweils nur erkennen, was wir untersuchen. Wir sehen dort, wo wir hinsehen, das, was wir sehen können und wollen. Und daraus machen wir Sinn. So könnte die Annahme konstruktivistischer Erkenntnistheorie lauten. Ist diese Ansicht wahr, weil Die Wirklichkeit beschreibend? Wissen wir letztendlich nicht. Natürlich nicht. Sie ist im Lichte ihrer Annahmen über die Funktionsweise der Welt eine wahrhaft scheinende, wahr-scheinliche Idee. Konzepte sind immer nur Konzepte. Und doch gestalten wir mit ihnen unsere Wirklichkeit.

Wozu überhaupt Wahrheit, wenn es die Wirklichkeit gibt

Die Wirklichkeit alleine reicht uns Menschen nicht. Wir – Menschen – erstellen Regeln, an die wir uns halten (oder nicht) und wir – Menschen – interpretieren dann all unsere Erfahrungen innerhalb und mittels genau jenem Bedeutungsraum unserer derartigen Erwartungen. Wir bewegen uns durch die Welt mit Hilfe des Vergleichs von ankommenden Eindrücken mit vergangenen Erfahrungen und deren Ergebnisprojektionen auf das Jetzt und das Morgen, die die Gestalt von Ängsten und Hoffnungen annehmen.

Politiker etwa sind sich der Subjektivität der Wirklichkeitswahrnehmung „Des Volkes“ und der Bezüglichkeit zu den individuellen Erfahrungen und Erlebnisräumen oft bewusst. Deshalb tun sich auch so manche schwer mit „ehrlichen“ Aussagen. Um „Den Nerv“ „Der Menschen“ zu treffen, reproduzieren sie generelle menschliche Ängste und Hoffnungen. Sie wollen damit an sich die Wirklichkeitswahrnehmung „Der Menschen“ (=anvisierte Wähler) bestätigen, um den Eindruck zu erwecken, „Die Wahrheit“ zu sagen. Oft genug schaffen sie dadurch erst jene Wirklichkeit, die sie herbei fürchten. Genau deshalb wirken viele „Volksvertreter“ heutzutage auch so un-glaub-würdig wie selten zuvor. Sie verleugnen das Streben nach ihrer eigenen, inneren Wahrhaftigkeit, ihren Wunsch nach dem Glauben an eine Wirklichkeit, die wahrer ist, als ihr Wunsch nach Bestätigung.

Mittlerweile ist der Glaube an die Wahrhaftigkeit im Menschen vielen überhaupt abhanden gekommen. Sie glauben statt dessen eher an die Schlechtigkeit des Menschen. Auch das ist ein Glaube an eine „wahre Wirklichkeit“ und will durch ErwaHrtungen bestätigt werden. Es ist allerdings eine Katze, die sich in den Schwanz beißt, siehe self-fullfilling-prophecy. Natürlich könnten wir auch anders denken, urteilen und hinschauen auf unsere Wirklichkeit. Mann/Frau könnte all die unglaublich tollen Menschen und genialen Errungenschaften, alltägliche Leistungen, und einzigartige Ausdrucksformen wahr-nehmen und bewundern. Aber das ist interessanterweise für viele eher un-wahr-schein-l-Ich. Das hat mit der WaHrnehmung des Ich und seinem Wunsch nach Bestätigung zu tun.

Welche Wahrheit?

Wie sieht die unglaublich nahe liegende Lösung dieses Grunddilemmas der Selbstbezüglichkeit von Wirklichkeitswahrnehmung aus? Wie kann mit dem Problem umgegangen werden, dass Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit unterschiedliche Formen für jeden von uns annehmen können?

Die wahr-l-Ich einfache Lösung liegt vor allem in der Wahl zwischen bewusstem Selbstbetrug oder dem Betrug durch die Wirklichkeitsdarstellung anderer. Das klingt einerseits traurig, weil nach einer Aufgabe des Glaubens an „Die Wahrheit“ und „Die eine, absolute Wirklichkeit“. Ist es aber nicht. Diese Aufgabe kann uns auch erlösen, zu einer Lösung führen. Sie stellt die Weichen hin zu mehr Freiheit, unser Leben durch vom Selbst gewähltes Streben nach „Wahr-Haftigkeit“ gestalten zu können. Im ehrlichen Eingeständnis, dass selbst die Ausrichtung auf Wahrhaftigkeit nur eine innere Bestrebung nach klarer Orientierung und spürbarer Stimmigkeit ist, eröffnet sich mir erst die Wahl der Realität, in der Ich tat-sächlich leben will. Diese Wahl zu treffen, bedeutet im selben Atemzug in dieser gewählten Wirklichkeit zu sein, sich selbst in ihrer innen liegenden Wahrheit zu suchen und mit allem, was die eigene Wahrhaftigkeit an Wehrhaftigkeit hergibt, zu verteidigen. Um an der eigenen Grenze weiter zu wachsen.

SUPER SIMPLE SOLUTION No 17 – EMFORMATION

Emotion statt Information

Es gilt, ein Zeichen unserer Zeit zu akzeptieren: Das Publikum will Gefühle.

Damit wird es Zeit, die alten Vorstellungen von Gut und Böse in der Nachrichtenwelt zu transformieren. Nicht, weil sich etwa hohe Qualitätsansprüche an Recherche von Informationen oder Darstellung von Zusammenhängen ändern sollten. Vielmehr weil die Aufbereitung von Inhalten bestimmte Bedürfnisse ansprechen müssen, um vom Zielpublikum aufgenommen werden zu wollen. Auf diese Weise bekommen die „guten“, weil sachlich fundierten Informationen erst eine Chance, überhaupt wahrgenommen und argumentativ nachvollzogen zu werden.

Schluss mit dem Jammertal

Genug des Jammerns über die Lust des Publikums am scheinbar reinen Entertainment. Das Interessante an der „Unterhaltung“ ist ja, dass das „Reine“ am Entertainment dem Publikum echter vorkommt, als die sachliche Darstellung der Information es vermag. Das liegt daran, dass viele Menschen die „Informationen“ schlicht nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen können. Damit wird die „Reinheit“ eines unmittelbar und selbst empfundenen Gefühls das neue Qualitätskriterium für Infos: In der direkten Erlebbarkeit liegt eine Quelle für Bezugnahme, eine Möglichkeit, sofort Stellung zu beziehen. Finden Sie das schlimm? Unvernünftig, der Manipulation Tür und Tor öffnend? Dann sage ich: Genug des  kopfschüttelnden resignierten Seufzens über die zunehmend weniger vorhandene Sachlichkeit in der Newsrezeption, gerade auch wenn es um Politik und die Wahl von Politikern geht. Genug des Bedauerns der fehlenden kritischen Betrachtung unserer Welt sowohl durch Medienmacher, als auch durch Leser/Seher. Genug des Klagens über das Ausbleiben der generellen Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Sachverhalten und Argumenten. Schluss mit dem Wettern gegen das stets flacher anmutende und auf Emotionalisierung ausgelegte Infotainment. Nicht weil ich beides – die unreflektierte Hinnahme irgendwelcher „Informationen“ oder „Nachrichten“  und die stimulierende, oberflächliche Aufbereitung von Inhalten – für tatsächlich gut hieße. Nein. Eine Sachlage braucht keine Bewertung meinerseits. Und die Sachlage sieht so aus: Menschen wollen sich wohlfühlen – und das ist ihr gutes Recht. Sie wollen sich auch aufregen dürfen und können. Sie wollen sich betroffen und berührt fühlen. Auch das ist ihr gutes Recht. Und das schaffen die „guten“ Nachrichten immer weniger. Stattdessen nehmen die Konsumfreude und die Ablenkungssucht, der Rückzug auf kindliche Verhaltensweisen und jener in die eigenen vier Wände oder Traditionen immer mehr Realität an. So sehen die Realitäten schlicht aus, in und mit denen wir leben. Ich plädiere daher für einen lustvollen Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen, anstelle eines lebensverneinenden Verdammens. Wer Vernunft für anstrengend hält, dem kann Vernünftiges trotzdem schmackhaft gemacht werden.

Warum wird „gute“ Information von vielen kaum mehr ernst genommen?

Weil sie sich nicht an die bedürfnisorientierte Realität der Konsumenten anpassen will. Sachliche Information will verarbeitet werden. Konsumenten wollen aber sinnlich verwöhnt oder gefühlstechnisch angeregt werden. Information ist schwer, braucht die Mühsal eines subjektiven sich In-Bezug-Setzens. Eine Bezüglichkeit, die in der Komplexität und Geschwindigkeit heute nur schwer herzustellen ist. Emotion hingegen ist unmittelbar. Emotion ist wahrer, weil näher. Emotion rules.

Was ist real?

Die Wirklichkeit ist ein Fluss des Wahrnehmbaren. Wer mit seinem ganzen Wesen die Wirklichkeit wahr-nimmt, der sieht. Auch alles Unzusammenhängende, alles Widersprüchliche, allen neben einander Stehende und Ungeklärte. Die Realität des bewusst Wahrnehmenden ist so bunt wie nie zuvor. Wer hingegen nur die Oberflächen wahrnimmt, die Unstimmigkeiten der Vielschichtigkeit unserer Welt, der glaubt schnell  gar nichts mehr. Weil ihm/ihr die Inkongruenz wie ein unbewältigbarer Störfaktor vorkommt. Doch ohne Vertrauen und ohne bewusste Wahrnehmung ist der Betrachter schutzlos von der vorgekauten Wirklichkeitsdarstellung anderer abhängig, ohne sich auf das dort Dargestellte verlassen zu können. Auch die an der Oberfläche Schwimmenden und die solche Menschen zu befriedigen suchenden Medientreibenden, müssen sich der Komplexität unserer Realität stellen. Sie tun dies „mit Gefühl“ statt mit Verstand oder Vernunft.

Das Paradoxon von Hirn und Herz

Wer weder „den Medien“, noch „den Politikern“, nicht „der Wirtschaft“ oder gar der Zukunft vertrauen kann, der hat echt ein Problem. Ganz in Wirklichkeit. Ein Hirn, das die Integrationsleistung von Widersprüchen, Vieldeutigkeiten, ständigen Neuerungen nicht zu leisten vermag, hat ein Problem. Mit „Integrationsleistung“ ist das Vermögen, Sinn in den Umständen zu finden und immer wieder eine Stimmigkeit zwischen sich selbst und der Umwelt zu entwickeln, gemeint. Heute müssten wir, sofern wir jede Information tatsächlich ernst nähmen, ständig Unmengen an Wahnsinn in unserem System verarbeiten und sinnhaft integrieren. Das geht nicht. Die Unübersichtlichkeit und Informationsflut verhindern für viele eine effektive Verarbeitung. Nicht nur unser Hirn, sondern unser ganzes Wesen steht vor einem Problem, dem Problem der Wirklichkeit, die von sich aus kaum mehr Sinn zu machen scheint und in der der Spaß immer kürzer zu kommen droht. Und dieses Problem kann unser Hirn offenbar oft nicht ausreichend verarbeiten. In diesen Fällen wird es schlichter Hand von unserem Herzen gelöst. Sofern wir mit „Herz“ unsere Gefühle meinen….

Em-Formation statt In-Formation

Lassen wir es zu, lassen wir uns treiben, hinein in die Schwingungen des zeitgemäßen Seins. Hier bedrücken uns die Ängste, tritt uns die Panikmache in den konsumverwöhnten Allerwertesten, versetzt uns die Wut in unbestimmte Rage und bremst uns die Hoffnungslosigkeit wieder runter. Emotional betrachtet gleicht die Welt für viele Menschen derzeit einer Hochschaubahn. Da ist es völlig egal, dass wir in der längsten Friedensperiode mit dem höchsten Wohlstand und Alterserwartung leben. Da stellt sich nur eine Frage, ganz aktuell, jeden Moment: Rauf oder runter? Das kann man durchaus metaphorisch verstehen: Rauf auf die Hochschaubahn der Gefühle oder runter und rüber in die Unergründlichen Tiefen der Hirnwindungen. Oder man versteht es rein emotional: und hier existiert gerade für viele nur noch das „Runter“ – die Angst vor dem wirtschaftlichen, sozialen Abstieg. Daher sollten wir das„Runterkommen“, nicht nur aus einer ehemals wirtschaftlichen Hoch-Phase, schlicht anders kommunikativ aufbereiten.

Let me take you down…

„Runterkommen“ kann heißen: vom alptraumhaften „alles wird schlechter“- Gefühlstrip einen gesunden Abstand nehmen. Aber was passiert dann? Im Abstand-Nehmen driften wir vom High der Intensität des Lebens weg und enden mit höchster Wahrscheinlichkeit in einem flacher werdenden, schaleren, langweiligeren Energiezustand, nämlich in der „mühsamen Realität“. Wer will das schon? Lieber heiß und fettig als kühl und trocken, oder? Aber was wäre, wenn am anderen Ende der Impulsivität, der Hingabe an den trügerischen Schein der rein emotionalen Realität ein völlig anderes Lämpchen leuchtete? Ein anderes als das kahle Neonlicht des Hirns, das wenig verlockend aus seiner Gefangenschaft in der spröd-unverdaubaren Informationslandschaft der Gegenwartsbetrachtung zu unserem Herzen blinkt?

…‘cause I am going to: strawberry fields!

Ich plädiere eben nicht fürs Runtersteigen von der ungefilterten Emotion oder fürs Umsteigen auf die reine Information. Ich plädiere für Einmal Alles.  Ich bin für vernünftige Träumerei, unbegründete Hoffnung, für in sich selbst verwurzeltes Vertrauen. Für überraschende Hinwendung zu jenen, die vergebens aber lustvoll im Trüben fischen. Für die Hochschaubahn des Lebens, ohne die eine oder andere Farbe auszulassen.

Wer Erdbeeren pflanzt, wird sie eines Tages auch essen können. Oder verschenken wollen. Oder ihnen beim Werden und Vergehen zusehen. Aber es wird Erdbeeren geben. Manche werden ihre Existenz verstehen wollen, andere sie genießen, Dritte ihre Wachstumsphasen untersuchen, Vierte ein Geschäft mit ihnen machen wollen. Und Fünfte sich einfach nur an ihnen erfreuen. Nur Sechste befürchten, dass die Erdbeeren nächstes Jahr nicht so schön sein werden wie dieses. Oder morgen. Oder heute schon nicht mehr so schön wie gestern sind…

Warum sollten wir letzteren, der Variante Sechs, mehr Recht auf Realität zugestehen als all den anderen, vor allem als jenen, die die Erdbeeren (also jene, die etwa mit Zuversicht und Vertrauen konstruktive Lösungen erdenken, kommunizieren und umsetzen) tatsächlich aktiv pflanzen?

Pflanzen wir Erdbeeren, seien wir EM’s, verbreiten wir Emfos

Sähen wir die Samen positiver Emotion inmitten der Unübersichtlichkeit unserer Welt. Grundlos, einfach, weil wir können. Ja, wir befinden uns in einem Veränderungsprozess. Ich bin jedoch nicht bereit, ihn von Schwarzmalern gestalten zu lassen.

Vielleicht könnten wir den konstruktiven Buntmalern unserer Realität einen Namen geben, damit sie besonders wahrnehmbar werden. Wir wäre es mit: „Em-formationists“, kurz „Em’s“ – und ihre Art, Nachrichten über die Welt zu kommunizieren „Emfos“?

 

SUPER SIMPLE SOLUTION No 13 – Aber Und Glauben

Wer Was Wie und Warum

WER etwas äußert ist oft wichtiger, als WAS gesagt wird. Und WAS gesagt wird, wirkt oft weniger relevant als WIE es rüberkommt: Untersuchungen bestätigen schon seit Langem, dass die Macht der Worte zum größten Teil in der Art und Weise ihres Ausdrucks liegt. WIE wir etwas ausdrücken, hängt davon ab, welche Worte wir wählen und welche emotionale Konnotation wir ihnen verleihen, sowie vom Rahmen, in dem wir etwas präsentieren. WER und WIE besiegen das WAS, wenn es um Glaub-Würdigkeit geht.WARUM dies so gut funktioniert ist schnell erklärt: WER etwa  Bildsprache und Vereinfachungen (wie Verallgemeinerungen oder Zuspitzungen und Überhöhungen) zu verwenden weiß, diese Worte in anregende Mimik und Gestik verpackt und am richtigen Ort von sich gibt – der kann sein Publikum höchst effektiv emotionalisieren. WARUM jemand sich und seine Inhalte derart in Szene setzt? Weil Emotionen, egal welcher Couleur, die Relevanz des Senders automatisch erhöhen. Will jemand auffallen, bewundert oder gemocht werden, sollte er/sie seine Ansichten so inszenieren, dass sie Emotionen hervorrufen. So weit so klar.

ABER. Was hat das alles mit Glauben zu tun?

Der Glaube ans Gute 

Glauben emotionalisiert uns ebenfalls ungemein. Oder gar umgekehrt: Emotionen lassen uns an Dinge oder Ideen glauben. Der Wunsch an etwas zu glauben, weil es uns emotional anspricht, garniert mit Bildsprache, serviert auf einem Spiegel von Vereinfachungen, ergibt eine ver-Führerische Mischung, die unsere Welt- und Selbstwahrnehmung stark beeinflussen kann. Werfen wir Hoffnung, Angst und Glaube in eine Topf, so entsteht ein wild-duftender Zaubertrank, der stark nach Aber-Glauben riecht: Trotz der an sich nackt-neutralen Wirklichkeit wollen viele von uns ABER an das GUTE GLAUBEN! Wer den Glauben ans Gute, an die Hoffnung, an die Liebe glaub-würdig – also spürbar Gefühle weckend – in den Menschen hervorzurufen versteht, der wird automatisch gemocht, sogar bejubelt. Aber nur von denen, die an das Gute glauben wollen. Eh klar.

Die Dunkle Seite der Macht

ABER. Was ist mit denen, die an den Weltuntergang glauben? An die ständige Bedrohung durch eine prinzipielle Übermacht der Dunklen Seite? Sie glauben an die übermächtige Existenz des Bösen (alternativ: der Blödheit), sowie an eine nicht zu besiegende Macht der Gewalt – und dass beide uns bald fest im Griff haben werden. Genau daran glaubt offenbar dieser Tage ein guter Teil der europäischen, auch der österreichischen Bevölkerung: Dieser Teil fürchtet den Untergang des Abendlands, der westlichen Kultur und Werte, der Wirtschaft sowieso, und die Umwelt hat gar für viele schon längst verloren…

Warum glauben so viele aber an genau dieses ABER, das nachweisbar sehr oft im krassen Gegensatz zur tatsächlich erlebten Realität dieser Menschen steht? Eine mögliche Antwort ist: Weil es Kommunikatoren und Medien sehr effektiv schaffen, genau diese negativen Bilder lebhaft und spürbar in ihnen aufzurufen. Es sind Bilder von Krieg, Kampf, Bedrohung, Abstieg, Verlust. Bilder, die 1-3 Generationen zuvor noch bittere Realität waren. Es sind Bilder des Schreckes, die für die meisten Geflüchteten tatsächlich jetzt bittere Realität sind. Für genau die wiederum viele keine Gefühlsregungen übrig haben. Weil sie offenbar diese Schreckensszenarien verkörpern, vor denen viele hier Angst haben. Derart spürbar verkörpern, dass der Glaube an ein Gutes Ende für solche Menschen in einem übermächtig empfundenen ABER untergeht…

Wort-Wahl

So in die Enge der Angst getrieben, scheint die Wahl nur aus Wegschauen, also aus Ignoranz oder Abwehr, und aus Intensivieren durch Aufbauschen zu bestehen. Kurz gesagt: Paranoia, Verdrängung und Aggression kämpfen in vielen von uns um die Vorherrschaft. Sie alle sind Versuche, mit Angst und dem Glauben an das Böse, Üble umzugehen.

ABER. Was hilft tatsächlich im Umgang mit der Wirklichkeit? Was sollen wir tun? Sollen wir nun ans Gute oder Böse glauben? Wir wollen doch weder naive Gutmenschen noch angstverhaftete Schlechtmacher sein, oder? Welche Seite entspricht mehr der Wirklichkeit? Wir haben schlicht die Wahl. Oder? Nein. Ich bin an dieser Stelle für ein spürbares: UND! Einfach weil ein UND wahrer ist, indem es mehr Realität zu umfassen vermag, als es endweder-oder jemals können. Gut und Böse. Beide sind real. Zumindest so real, wie eben jeder Glaube unsere Handlungen zu beeinflussen vermag. Und ich meine hier nicht den religiösen Glauben, sondern den Alltagsglauben. Also das, was wir für wahr und wirklich halten und was doch nur eine emotional gefärbte Bewertung von Tat-Sachen ist.

ABER das UND hat einen Nachteil: Es macht die Dinge kompliziert…

ABER versus UND

ABER hingegen reduziert das Viele auf die Eine Sicht der Dinge. Und vereinfacht dadurch alles, was danach kommt, wie etwa Entscheidungen zu treffen. Ein UND hingegen stellt Perspektiven einander zur Seite. Viele Perspektiven gemeinsam machen de facto das Geflecht der Wirklichkeit aus, in dem wir leben. Reduzieren wir unsere Sichtweisen auf nur wenige Stränge der An-Sicht, so geben wir damit zugleich unserem Gehirn den Auftrag, alles, was wir erleben so zu filtern und umzuinterpretieren, dass es zu dieser Voreinstellung passt. Ein ABER will stets die eigenen Voreinstellungen, die eigene Vor-Stellung bestätigen. Ein UND hält uns hingegen offen für mehr Möglichkeiten.

Glauben Und Wissen

ABER. Was glauben wir zu wissen? Das ist eigentlich das einzige, worauf es wirklich ankommt. Wir glauben zu wissen, was wir selbst erfahren haben. ABER wir glauben oft, Dinge selbst erfahren zu haben, von denen uns nur emotional höchst nachvollziehbar erzählt wurde! Die Macht der Worte und die Überzeugungskraft guter Redner bewirken ein effektives und lebhaftes Hineinversetzen in alle möglichen Szenarien. Die effektive Manipulation der Befindlichkeit – darin sind gute Redner wahre Meister, egal ob Prediger oder Fanatiker, ob Kabarettisten oder Politiker. Manchmal verschwimmen die Grenzen sowieso: Wissenschaftler, die ihre 1-Satz-Message  kabarettreif rüberbringen. Politiker, die fanatisch predigen. Medien, die mit sachlicher Stimme gefärbte Inhalte präsentieren. Infotainment. Kennen wir alles. ABER. Wo ist die tat-sächliche Wirklichkeit? Dies ist eine Frage, die besonders oft von Negativszenario-Gläubigen an Positivisten und Optimismus-Gläubige gerichtet wird. Die Wirklichkeit liegt in der Sache und zeigt sich in Taten. ABER eben nicht alleine. Hier kommt das UND: Sie liegt auch in der Emotion. Denn durch das Gefühl geben wir den Taten und Sachen erst eine Bedeutung, die für uns Relevanz hat.

Wissen Und Wirklichkeit

Wissen, das sich an die Wirklichkeit hält, müsste ohne Bewertung, ohne Interpretation auskommen. Wissen, was ist, bedeutet im selben Atemzug zumindest zu ahnen, was man alles nicht wissen kann. Keine Wahrscheinlichkeitsrechnung kann das Nicht-Wissen tatsächlich effektiv beseitigen. Wie uns Risikoberechnungen vielfach gezeigt haben, bewahren sie uns nicht davor, Entscheidungen zu rechtfertigen, die letztendlich das auslösen, was vermieden hätte werden sollen. Siehe Immobilien- und Finanzblasen.

Die Wirklichkeit gleicht einem nüchternen Objekt, erlebt von dieselbe emotionalisierenden Subjekten. Ob man es nun glauben will oder nicht: Jedes Wissen kann immer nur einen Auszug der Wirklichkeit liefern. Einen Teil darstellen, der niemals umfassend genug sein kann, um die gesamte Wirklichkeit zu beschreiben. Die wichtigste, weil handlungsrelevanteste Frage an dieser Stelle lautet: Ist dieser Umstand für uns frustrierend oder antreibend? Wissenschaftler fühlen sich durch das Nicht-Wissen und ihren Glauben an eine zu entdeckende dahinterliegende, als Ganzes in ihrem Wirkungsgefüge zu erfassende Realität, „angeturnt“. Sie forschen dann aus Leidenschaft. Aber viele andere regt das Nicht-Wissen und die unüberschaubare Komplexität des Lebens, des Seins und des Rests einfach nur auf. Um beruhigt leben zu können, reduzieren sie die unendliche Wirklichkeit auf einfache Wahrheiten. Sie behaupten alles über die Wirklichkeit zu wissen, indem sie eine Wahrheit definieren und diese, ihre Definition glauben. Der Glaube an die eigens zu diesem Zweck produzierte „Wahrheit“ spendet Sicherheit.

Wahrheit Und Weisheit

Weisheit weiß Sicherheit zu spenden, ohne die Wahrheit der Wirklichkeit zu limitieren. Weisheit agiert oft mit einem unsichtbaren aber spürbaren UND. Mein Lieblings-Haiku illustriert dies deutlich:

„Wie klingt das Klatschen einer Hand?“, fragte einst der Meister seinen Schüler.

Die Weisheit verweist auf das Unsichtbare, das Mit-Existente – selbst wenn es das Nichts, die Leere, das Undenkbare ist. Das noch-Mögliche, Mitgemeinte, Auch-Existierende. Weisheit schließt ein UND eröffnet. Schafft Verbindung UND Freiheit. Weise sind höchst unabhängig und zutiefst verbunden.

Weisheit, Wunder Und Wirksamkeit

Weisheit wirkt Wunder. Warum? Weil sie das ABER in ein UND zu verwandeln weiß. Wo ein UND, da Ent-Wicklung. Wo Entwicklung, da WACHstum. UND:

Wo die Wachheit ohne Wertung, da die Wirklichkeit.