Seven Strange Synchronicities: 2

Wirklich wird, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. In diesem Jahr faszinieren mich, wie schon der Titel dieser Blog-Reihe sagt, Synchronizitäten – und siehe da: sie machen sich bemerkbar. Erst gestern träumte ich so vor mich hin und machte ein Gedankenexperiment mit mir selbst. Welches ist der größte Lebenstraum, den ich mir gönnen kann? Wie weit kann ich denken und fühlen? Ich verbringe den Tag damit, schwelge in möglichen Realitäten, spüre, wenn mich der Realitätssinn zurückpfeifen will, wenn die Nachrichten, die ich lese, dagegensprechen. Sie sprechen ja oft gegen alles, was mit Hoffnung und Wünschen zusammenhängt, liegt schlicht in ihrer Natur. Ich spüre all die Bereiche, die sich die MitgliederInnen meiner Familie selbst entsagt haben oder glaubten, sich entsagen zu müssen, weil sie dachten auf gesellschaftlichen Konventionen achten zu müssen oder den Erwartungen anderer (meist Familienmitglieder) gerecht werden zu müssen. Ich sinniere darüber, wie eng Familie einst machen konnte (was so manche/n unter uns sicherlich noch immer betrifft). Wie sehr man früher die eigenen Wünsche und Lebensträume verleugnet hat, um andere im Frieden ihrer Erwartungen ungestört zu lassen oder um sich einen ständigen Kampf zu ersparen. Ich spüre wie anders unsere Zeit ist – sofern man sie denn anders als ehemals sein lässt. Eine Zeit der Möglichkeiten, gerade inmitten des unberechenbaren, chaotischen, scheinbar niemals endenden, weltweiten Übergangsprozesses, in den uns eine Krise nach der anderen wirft. Ich spüre die unklaren Aussichten, eine Atmosphäre, geschwängert von Fragezeichen. Und gerade, weil die Zukunft so diffus ist, spüre ich die Notwendigkeit zu träumen. Und zwar groß zu träumen. Ich lausche hinein und horche hinaus. Und die Offenheit spricht zu mir…

Sie sagt, dass ich mal was kochen sollte. Ich gehe in die Küche und fange an Gemüse zu schnippeln. Vernehme alsbald in meinem Inneren eine weibliche Stimme Soul singen. Aha, denke ich, Zeit für Musik. Nehme also mein Handy und mache Superfly an. Und siehe da: Hier singt eine Frau soulig vom Träumen. Das Lieb heißt Dreamer. Na, wenn das keine Synchronizität ist. Schön, lächle ich in mich hinein. So solls sein.

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Sunny Side Step 8 – Paarungszeit

Es war einmal…

…ein Prinz, der wiederholten Putschversuchen zum Trotz erneut inthronisiert wurde. Doch braucht er für die fürderhin reibungsfreie Verwirklichung all seiner Wünsche eine Partnerin. Es bieten sich aus den umgebenden König(innen)reichen auch prompt zwei Willige und eine Widerspenstige an. Wie beim guten alten Datingprocedere heißt es zunächst einmal: was will der Prinz? Einen schnellen Quickie zu seiner Befriedigung, auf schmutzige Weise hinter verschlossenen Türen zur Verlustigung der beiden Beteiligten – oder eine eventuell mühselige Langfristbeziehung mit commitment zueinander und zu den Ansichten des/der anderen, mit gemeinsamen Beziehungen zur Außenwelt, mit gelegentlicher Paartherapie in Krisenzeiten, mit sozialen Verpflichtungen?

Das Blaue Wunder

Ja klar, der türkisgewandete Prinz könnte sich ratzfatz mit der blauen Möchtegerndomina zusammentun, daraufhin schalten und walten, wie er will. Nur die Kollateralschäden, die seine letzte Geliebte zu ihrem Eigennutz ohne Gewissensbisse verursacht(e), gilt es halt auszubaden. Davon wird es mehr geben, denn sie kann ja nicht anders. Alles Einzelfälle, die aber insgesamt ein Charakterbild ergeben. Weshalb sie als Konkubine des Herrschenden auch in der Gunst des Volkes gefallen ist. Jetzt schon -noch bevor überhaupt kundgetan ist, wer da mit wem intim werden wird- wiederholen sich die medial und zivilgesellschaftlich ausgeschnaubten Stoßseufzer: „Wir haben‘s ja gesagt. Kein Anstand, die Bagage, alle miteinander.“ Und dass Türkis eigentlich eh fast Blau ist, braucht im Falle eines Revivals dieser Liaison wirklich niemanden mehr zu wundern.

Rot sehen

Aber was ist mit der anderen Willigen und der Widerspenstigen? Oder gar mit der Ex? Die Ex sieht seit jeher Rot, wenn sie Schwarz sieht, das ändert sich auch kaum im Gegenwart der umgefärbten Türkisen. Wiewohl sie momentan für selbige wieder attraktiver sein könnte, weil schwächelnd und wenig kampfeslustig. Wenn es nicht widerlich sexistisch klingen würde könnte man fast sagen: sie hätte es bitter nötig (das Regieren). Allerdings haben die beiden gegen das lange Ende ihres Beziehungslebens hin leider dauerhaft missharmoniert. Was ursprünglich als durchaus bereichernde Komplementarität (man erinnere sich an das altmodische Wort Sozialpartnerschaft) gesehen werden konnte, die mehr Seiten als bloß einer diente, ist zunehmend in böswillig oder hilflos anmutende Stagnation gekippt. Respekt, Wertschätzung, Zuhören, Dialog? Nada. Paartherapie wäre rechtzeitig angebracht gewesen. Nun scheint der Ofen aus zu sein.

Bleibt noch die willige Pinke und die/der widerspenstige Grüne.

Die Rosa Brille und der Grüne Star

Der Grüne Star wirkt mit sich selbst zufrieden. Er weiß, wofür er steht und was er will. Er wird sich nicht anbiedern. Ja nahezu widerspenstig begegnet er möglichen Anfragen, ob denn der Thron für ihn interessant wäre. Dazu hat er jedes Recht, will er sich doch nicht verkaufen. Darob wird allerdings der Spagat, den unser Prinz hinzulegen hätte, ein durchaus gewagter. Er müsste sich nämlich zu Dingen verpflichten, die zwar Sinn machen aber auch Geld kosten. Und zwar das Geld der ihn am Thron haltenden Lehensherren des Staates. Und er müsste langfristig denken und nachhaltig handeln lernen. Was ihm aber durchaus zugetraut werden könnte, ist er doch noch in lernfähigem Alter. Allein der Wille und die vox populi scheinen hierfür den Ausschlag zu geben.

Apropos Stimme des Volkes: Seitens der nicht zu vernachlässigenden Zukunft und ihrer aktuell bereits lebenden (wählenden und auch weiterhin wählen werdenden) Generationen wäre allerdings die junge Garde mit ihm und seinem Lernprozess. Ja, sie würde ihm beim Spagat-Üben tatkräftig zuskandieren, all jene wackeren Recken und holden Maiden (ja, die Kinder der Bloggenden mussten sich vor gar nicht allzu langer Zeit die Nibelungensaga zu Gemüte führen), die sich dem Klimadrachen munter entgegenwerfen. Ihre Aufmunterungen können durchaus Kraft geben – vor allen Dingen jenen, die sie ernst nehmen.

Und damit zum Fazit: Was käme in einer solchen Situation eigentlich gelegener, als eine rosa Brille? Nicht, dass die rosa Queen nicht auch ihren eigenen Willen hätte und sich die Welt widiwidiwiesieihrgefällt machen möchte. Aber als Vermittlerin und Obachtgebende, auf Fairness und gesunde Kompromisse Achtende, mitunter wesentliche Entwicklungsrichtungen Anstossende könnte ihre Rolle recht fruchtbar sein. Bekommt der Prinz im besten Fall also gar zwei Königinnen? Nun, vielleicht wäre korrekter zu sagen: einen Ko-König und eine Art Schiedsrichterin mit eigenen Anliegen? Wir, das Volk, bleiben gespannt.

Das bunte Potenzial funkelt jedenfalls zauberhaft…

Sunny Side Step 1: Medien zwischen gut und böse

Die Macht der Medien

Ob Internet, Fernsehen, Zeitung oder andere Medien: Sie schenken uns Bilder im Kopf, eine gewissen Einstellung dazu was gut, wahr und schön ist – und ein belastendes Bild von der Welt um uns. Unsere Überzeugungen, wer wir als Mensch und als Gesellschaft sind, wer wir sein wollen und was wir tun können, all das wird massiv medial geprägt. Viel ist von Manipulation, von Lügenpresse, von Einseitigkeit in den vergangenen Jahren die Rede gewesen. Wahlen werden durch fake news und alternative Realitäten ergaunert und eine beliebige, verwirrende Multiperspektivität wird geschaffen. Solch eine nur scheinbar medienkritische Analyse versucht durch Diskreditierung das zu erreichen, was wir seit 300 Jahren überwunden geglaubt hatten. Mythen und Emotionen wiegen zunehmend wieder schwerer als Wissenschaft und Ratio. Ja, auch die Wissenschaft ist nicht unfehlbar bzw. gibt nur ein Abbild davon, was sie untersuchen möchte und methodisch erfassen kann. Nein, „die eine Wahrheit“ der Wirklichkeit kann auch sie nicht absolut darstellen. Aber es ist ein Unterschied, zu versuchen inhaltlich nachprüfbar und nachvollziehbar zu sein, oder gefühlsmäßig aufzuhetzen. Es liegt ein gravierender Unterschied darin, gezielt Fragen zu stellen und gangbare Wege zu suchen oder gezielt Schlussfolgerungen zu ziehen und Türen zu schließen. Dies ist der feine Grat, auf dem Qualitätsmedien balancieren und den der Boulevard plattwalzt.

Auch die Lebenswelt Europas ensteht und zerfällt im Blick des Betrachters

Wir alle sind mittlerweile Medienschaffende. Unsere Meinungen kulminieren im Netz zu Stimmungslandschaften und „Bubblewelten“, die von vielen mit „der Realität“ verwechselt werden. Zugleich gibt es einige wenige breitenwirksame mediale Leuchttürme, die versuchen in der vielfältigen und individualisierten Medienlandschaft gleichbleibende Verlässlichkeit und einen gewissen Überblick zu bewahren. Die Öffentlich-Rechtlichen sollten schon von ihrem Auftrag her solche verlässliche Felsen in der gefühlsschäumenden Brandung sein. Gerade, was die Betrachtung und Gestaltung unserer Lebenswelt betrifft, dürfen wir uns nicht von marktschreierischen Stimmungsmachern unser Weltbild vorschreiben lassen. Vielmehr sollten vertrauenswürdige Quellen unsere Sichtweisen und Handlungen konstruktiv bereichern.

Der folgende Text ist mein Beitrag zum aktuellen Public Value Report des ORF, der diese Tage unter dem Titel „Der Auftrag 2019: Vielfalt, Vertrauen, Verantwortung“ veröffentlicht wurde. Mir ist es darin ein Anliegen, auf die herausragende Rolle und den Auftrag des ORF bei der Bildung und Erhaltung von Demokratie in Europa hinzuweisen:

Öffentlich-rechtliche Medien als 4. Macht der europäischen Demokratie…

… sind der Fels in der Brandung gegen fake news und kommunikationstechnische Manipulation aller Art. Die Medienlogik negativer Emotionalisierung und das Rezeptionsverhalten der Selbstbestätigung in Resonanzräumen wirken demokratiegefährdend, da der Wille zur sachlichen Auseinandersetzung zugunsten von Ängsten und Vorurteilen in den Hintergrund tritt. Menschen reagieren unter -allzu oft inszenierter- gefühlter Bedrohung regressiv: Angst, Abwehr, Ignoranz bzw. Aggression verhindern ein progressives, konstruktives, kooperatives und lösungsorientiertes Verhalten. Eine vertrauenswürdige ö-r Medienqualität kann dieser Entwicklung entgegenwirken, indem sie hochqualitativ und umsichtig bleibt, emotional attraktiv und lebenswelt-relevant wird und das (soziale) Mediennutzungsverhalten der Rezipienten miteinzubeziehen weiß. Das Ziel sollte eine Kompetenzsteigerung der Rezipienten im Umgang mit einer höchst komplexen, mitunter verunsichernden Welt sein. Hierin liegt der vielleicht bedeutendste Bildungsauftrag unserer Zeit.

Gerade die Europakommunikation braucht mehr als reine Informationsvermittlung. Sie benötigt ein realistisches, zugleich positives, zuversichtliches Bild einer gemeinsamen Zukunft. Ein krisenfestes Europa bedarf einer demokratiefähigen und -willigen Bevölkerung, die ein klares Ziel vor Augen hat, nämlich eine gelingende Gesellschaft im Sinne des friedlichen Zusammenlebens in aller Vielfalt.

Eine Möglichkeit derart konstruktive Mitgestaltung zu erreichen, wäre die aktive Einbindung von BürgerInnen ins Programm, um die vielen Perspektiven der Wirklichkeit abzubilden, in Kontakt treten zu lassen und aus den bubbles zum Dialog zu führen. Je mehr Verständnis für sich selbst, für andere und für unser Kommunikationsverhalten, desto eher können gemeinsame größere Ziele anvisiert werden. Genau das ist es, was Europa derzeit fehlt.

Den gesamten Public Value Bericht des ORF finden Sie hier: https://zukunft.orf.at/

SPECIAL SCREEN SCRIPT 21: Von der Zukunft der Demokratie in Europa

Demokratie auf dem Prüfstand

Ja, gegen Polen und Ungarn laufen EU-Verfahren, weil die demokratisch gewählten Vertreter dieser Staaten sich ihre nationalen Systeme so zurechtbiegen, dass dabei die Grund- und Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie unter die Räder kommen. Die Bevölkerung sieht dabei machtlos zu – und wird mit jeder Maßnahme weiter entmachtet. Warum uns das etwas angehen sollte? Weil diese Entwicklung mit verführerischem (Rechts-)Populismus begonnen hat. Und weil ebendieser für immer mehr Menschen in ganz Europa alltagstauglich zu werden scheint. Das muss uns zu denken geben, denn wenn wir nicht darüber nachdenken beißt uns das Toleranz-Paradoxon in den Allerwertesten: Wer nämlich der Intoleranz gegenüber tolerant ist, der stärkt aktiv die Intoleranz – auch und gerade wenn er gar nichts tut. Davon war schon Sir Karl Popper zurecht überzeugt.

Wie Demokratie zur Demontage der freien Gesellschaft führen kann

Die Gleichgültigkeit den Intoleranten gegenüber hat – gepaart mit etwa massiven Wirtschaftskrisen und sozialer Ungerechtigkeit – bereits in den 1930ern dazu geführt, dass demokratisch gewählte Führungsfiguren sich die Welt so gemacht haben, wie sie ihnen gefällt. Und damit eben nicht „dem Volk“ gerecht werden, wie sie zunächst behaupten. Zu Beginn tun sie so, als ob sie für „das Volk“ stehen, danach herrschen sie über „das Volk“. Sie werden von Opfern der „bösen“ Eliten, Medien oder Migranten etc., die angeblich den Schutz von starken Männern brauchen, schrittweise zu entmachteten Untergebenen, die zu tun haben, was ihnen befohlen wird.

Eine Übertreibung, die uns heute nicht betrifft? Nur, wenn wir aktiv werden und uns für die Gesellschaft einsetzen, in der wir tatsächlich leben wollen.

Es ist Zeit aufzuwachen.

Der Populismus verführt all jene, die Lust auf heiße Emotionen haben, auf grelle Feindbilder, die ihren Vorurteilen entsprechen und ihre Bedürfnisse befriedigen. All jene werden wie die Motten zum Licht gezogen, die sich und ihre Gewohnheiten zu bestätigen suchen. Es ist die Suche nach Selbstwertgefühl und nach Aufwertung, die Suche nach einem besseren Gefühl, die sie auf den glänzenden Hoffnungsschimmer in Form der Verkörperung von aalglatten „Gewinnertypen“ mit patriarchalem Charm hereinfallen lassen. Populisten verführen jene, die einer Zugehörigkeit zu den „Starken“ bedürfen, um sich geschützt zu fühlen. Sie sprechen all jene an, die „zurück zur Normalität von früher“ wollen. Nur dass es niemals wieder „normal“ zugehen wird. Dass diese scheinbar Starken auf die echten Fragen unserer Zeit keine Antworten haben ist dabei keine Neuigkeit. Wo die Entscheidungsträger weniger auf kompetente Sachlichkeit zum möglichst Besten aller und vielmehr auf emotionale Zugkraft und eigene Vorteile achten, ist die freie Gesellschaft in Gefahr.

Warum antidemokratische Kräfte attraktiv sind

Die vox populi, die „Stimme des Volkes“, wirkt offenbar sukzessive immer stärker auf immer mehr Menschen. Die mittig-Rechten, mitunter sogar die Linksorientierten, geben sich dem Opportunismus hin und surfen auf dieser Welle. Die sanfte Stimme der Mitte zersplittert zusehends weiter in viele Fragmente der Uneinigkeit. Sie ist in ihrer Gesamtheit dadurch mittlerweile so leise, dass sie nicht mehr gegen die platten Parolen der Lauten ankommt. Eine wachsende Menge an Menschen gibt sich den frohen Hoffnungen, die der Populismus predigt, hin. Wer genau diese Menschen sind? Sie sind gut untersucht und wurden vielfach dargestellt: die wirtschaftlich und digital durch die Globalisierung Abgehängten, die Alleingelassenen im ländlichen Raum, die schlecht ausgebildeten Männer, die aussichtslosen Jugendlichen, die Abstiegsgeängstigten der Mitte. Diese Klassifizierungen scheinen mir trotz einer fast spürbaren Nachvollziehbarkeit für all jene, die diesen Gruppen nicht angehören, zu kurz zu greifen.

Vom gemütlichen Früher über das holperige Heute zum mysteriösen Morgen

Schauen wir tiefer in die vielschichtigen Veränderungen, die unsere Gesellschaft seit einiger Zeit schon durchmacht, so finden wir faszinierender Weise gleich mehrere Themenfelder, die diesen Umbruch markieren. Wobei die Wandlung eine deutliche Richtung und eigentlich auch eindeutig erkennbare Ziele hat. Aber der Weg in die Gesellschaft der next generation bzw. der next dimension wird kaum professionell begleitet, weder durch politische noch durch zivilgesellschaftliche Integrationsfiguren. Es fehlt das klare Bild einer gelingenden Gesellschaft von morgen, also wie eigentlich genau das Zusammenleben funktionieren soll, wenn wir die Veränderungen dann irgendwann einmal endlich durchstanden haben. Ohne dieses Zukunftsbild, ohne vertrauenswürdige Leitfiguren sowie ohne glaubwürdige, leitende Medien als Wegbegleiter, ist der Stress der Unsicherheit dieser heftigen Umbruchszeiten so groß, dass der Regress, der Rückzug, die Abwehr, die Ignoranz – oder aber die Aggression, die Gewalt, der Kampf ungemein attraktiv werden. „Kopf in den Sand, „Zurück zum Alten“ oder „Kampf dem Neuen“ lauten dann die Devisen…

Was sich gerade ändert und wohin die Reise geht

Dass Menschen und Regionen, Kulturen und Staaten zudem auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen dieser Umbruchsphase stehen und unterschiedliche Prioritäten haben macht die Sache nicht leichter. Verständlich werden dadurch jedoch die ganz Europa ergreifenden Grabenkämpfe. Sobald man die Entwicklungslinien, die im nächsten Abschnitt dargestellt sind, ansieht, wird sonnenklar, wer warum wofür und wogegen kämpft. Manche wollen an der linken Spalte festhalten („die gute alte Welt“), andere wollen endlich in der rechten Spalte („die gute neue Welt“) ankommen. Kombiniert mit den Stress-induzierten Handlungsalternativen von Ignoranz, Abwehr oder Aggression ergibt sich überraschend schnell ein Abbild der Positionen von Menschen, gesellschaftlichen Interessensgruppen oder auch Parteien. Das Dilemma Europas ist, dass kaum jemand den Wechsel von „vorher“ zu nachher“ deutlich anspricht, ihn koordiniert, begleitet und den Menschen dabei hilft sich und die Gesellschaft schrittweise weiter zu entwickeln. Ein zweites Dilemma ist, dass Populisten die vorhandenen Klüfte absichtlich nach dem Motto „teile und herrsche“ vertiefen, sodass die Gesellschaft auseinanderzudriften scheint anstatt zusammenzuwachsen und gemeinsam zu Wachsen.

Entwicklungslinien und Bruchstellen der Europäischen Gesellschaft

  • Analoge Welt                                                       –>  Digitale Welt
  • Glaube an ewiges Wirtschaftswachstum      –>  Nachhaltige Wirtschaft
  • Nationale Gesellschaften/BürgerInnen         –> International verflochtene Gesellschaft(en)/Europäische BürgerInnen/Global-Gesellschaft
  • Institutionell-religiös Orientierung               –>  Individuell-spirituelle Orientierung
  • Glauben(ssysteme)                                            –> Wissen(schaft)
  • Patriarchal Führende                                       –>  Gleichberechtigt Führende
  • Autoritäre Systeme                                            –>  Demokratische Systeme
  • Mono-ethnische Gruppen                                 –>  Multi-ethnische Gruppen
  • Monokulturell geprägte Regionen                  –> kulturell vielfältig geprägte Regionen
  • Exklusive, starre Identität                                –> Inklusive und liquide Identität
  • Konkurrenz                                                         –> Kooperation

Wir bewegen uns mit unserer Lebenswelt schon seit Längerem von links nach rechts (im Sinne der obigen Aufzählung). Aber manchen geht das einfach zu schnell. Andere haben das Gefühl, die Basis ihrer Identität zu verlieren, fühlen sich angegriffen, wissen nicht mehr wer sie in der neuen Welt sein sollen – ohne sich die befreiende Frage zu stellen, wer sie eigentlich sein wollen. Dritte wiederum sehen nicht, wie die Zukunft aussehen kann. Vierte nutzen all dies aus und versprechen das Gewohnte aus dem Hut der verklärten Vergangenheit in die vorgestellte Gegenwart zu zaubern.

Dabei wäre alles so einfach. Wir verändern gemeinsam die in sich abgeschlossenen, inkompatiblen und Andere exkludierenden Systeme in eine Gemeinschaft, die mit Hilfe eines transkulturell-systemischen Rahmens (= Grund- und Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Säkularität) für das friedvolle Zusammenleben in aller Vielfalt sorgt.

Was die Demokratie der Zukunft schon heute braucht

Es sind vor allem demokratiefähige und -willige Europäische BürgerInnen, die unsere Gesellschaft heute schon braucht um morgen miteinander leben zu können. Wir brauchen Führende, die klar wissen, warum und wie wir alle gemeinsam, wenn auch vielleicht zeitversetzt, in der oben rechterhand angegebenen Spalte ankommen. Wir brauchen Medien, die emotional verantwortlich, sachlich kompetent und einfühlsam diesen Weg begleiten und das Ziel dabei nicht aus dem Augen verlieren. All dies verlangt Menschen, die wissen, was sie wollen – nicht für sich, sondern im Sinne der Menschheit, also im Sinne aller Menschen. Die mitgestalten wollen, aber nicht um der Macht, sondern um des Ergebnis Willen. Die einander erkennen und miteinander in einer Kooperationsgesellschaft diskursive Überzeugungsarbeit leisten können und wollen.

Es ist letztlich der Diskurs, der darüber entscheiden wird, ob wir miteinander leben lernen. Es gilt dabei der oftmals praktizierten pro-kontra-Logik, wie sie etwa im EU-Bashing in einer Reduktion auf „Ja oder Nein zur EU“ üblich wurde, eine Absage zu erteilen. Es ist das verstehende und einfühlende „sowohl-als-auch“, das unter dem Dach des „größeren gemeinsamen Ganzen“ aus Irritationen zunächst Informationen und letztlich Innovationen machen kann. Jeder einzelne zählt in diesem Prozess. Jeder Dialog ist ausschlaggebend.

Demokratie heißt aktiv mitreden und mitgestalten

Dazu können Gespräche zuhause oder auf der Strasse genauso beitragen wie Diskussionsrunden oder Medienaktivitäten. Private Postings sind dabei genauso wichtig wie Führungskräfte und andere gesellschaftliche role models und Meinungsmachende. Wo ein Wille, da ein Weg in eine gelingende Zukunft. Ich wünsche uns allen den Mut zum Willen und die Kraft, auf dem Weg zu bleiben, auf dass wir alle gemeinsam in einer rundum lebenswerten Zukunft ankommen.

Auszug aus meinem Beitrag zur ORF-Podiumsdiskussion „Der Auftrag: Demokratie“, aufgezeichnet im Radiokulturhaus am 06.11.2018

Surprising Salon Session No 12: Herzmassage

EU wie: Einigt Euch Endlich oder: Uneinigkeit Untergräbt Unser Universum

Klar, das demokratische Prinzip soll ja dafür sorgen, dass sich die unterschiedlichsten Meinungen Gehör verschaffen können und diskutiert werden. Die Auseinandersetzung macht aber erst dann einen Sinn, sofern prinzipiell eine gemeinsame Richtung im Raum steht, zu der alle beteiligten Partner einmal ganz generell “Ja” sagen können und wollen. Ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Mitmenschlichkeit könnte eine wünschenswerte Grundlage für ein Europa der Gegenwart und Zukunft sein. Diese drei Grundwerte, frei nach den Werten der Aufklärung “Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit” in zeitgemäßere Form gebracht, vermögen etwas, das derzeit dringend nötig scheint: Sie zeigen eine gemeinsame Basis, die für alle Europäer funktionieren kann, auf. Die Grundfrage heute lautet: Wer sind wir, die Europäischen Bürger, wenn nicht Zeit unseres Lebens mit unserer Geschichte verwurzelt und derzeit auf der Suche nach einer neuen gemeinsamen Geschichte, die uns den Übergang von einem nationalstaatlichen zu einem europaweiten Selbstverständnis ermöglicht?

Good (Bye) Old Europe

Das Gute Alte Europa definiert sich üblicherweise über seine Geschichte, beginnend mit den griechischen Philosophen, dem demokratischen Prinzip, der klassischen Kunst und Kultur, den jahrhundertelangen Einfluss von Christentum, Kirche und des feudalherrschaftlichen Machtgefüges. Weiters kommen im heutigen Europaverständnis die Werte der Aufklärung dazu, die neben den oben beschriebenen Aspekten auch zur Säkularität/Laizität, also zur Trennung von Staat und Kirche geführt haben. Daraus entwickelten sich letztendlich die Rechtsstaatlichkeit, das moderne humanistischen Denken und Handeln – eine Ausrichtung, die auf allgemeine Bildung setzt und das Wohl aller und nicht nur einiger Weniger im Auge behalten möchte – sowie die Rationalität und das wissenschaftlichen Prinzip als Basis zur Wirklichkeitsdefinition. Lauter gute Grundlagen, auf die wir stolz sein können; die allerdings auch schon vor der EU da waren. Was haben das vereinte Europa und das über die Historie gewachsene Selbstverständnis Europas miteinander zu tun? Stimmen die beiden überhaupt überein?

What Did The EU Ever Do For You?

Was hat die EU uns Neues und wirklich Gutes gebracht? Mehr Möglichkeiten zu mehr Miteinander: Gemeinsame Währung und Wirtschaftsraum, freie Mobilität von Menschen, Waren, Dienstleistungen. Aber was ist das schon alles, wenn der Schilling früher gefühlt mehr wert war, weil man um weniger mehr kaufen konnte – und wenn das empfundene Sicherheitsempfinden, aber auch die Zuversicht in eine aussichtsreiche Zukunft, wesentlich höher waren. Ein Brot kostete damals gefühlt ein Drittel vom heutigen Preis. Und es war so langweilig in der Hauptstadt Österreichs, dass ein Gefühl der Unsicherheit wohl eher als aufregendes Entertainment gegolten hätte, denn als ernsthafte Bedrohung. Und es schien noch möglich, sich Kraft seiner Arbeit, die man nahezu automatisch bekam und oft auch ein Leben lang beim selben Arbeitgeber behalten konnte, sogar ein Häuschen leisten zu können. Von sicheren und schönen Pensionen mal ganz abgesehen… Man könnte sagen, dass es ein Zufall ist, wenn Finanzkrise, Migrationsströme und Wirtschaftsflaute mit dem strukturellen Zusammenwachsen Europas zusammenfallen. Man könnte auch sagen, dass es die Europäischen Werte sind, die uns dorthin gebracht haben, wo wir sind: Zu einer größeren Gemeinschaft, die mit Hilfe des Ausbaus einer gemeinsamen strukturellen Basis mehr Miteinander ermöglicht. Nur die Menschen haben sich scheinbar noch nicht so recht ans Neue Europa gewöhnt. Viele suchen darin eher einen Schuldigen für die unabwägbaren Veränderungen unserer Zeit – und der Ruf nach mehr von „früher“ lässt sich wunderbar mit dem Ruf nach weniger Europa kombinieren…

Herzmessage

Was hat uns die EU also spürbar, sichtbar Sinnvolles gebracht? Eine Harmonisierung von Gesetzen oder das gemeinsame Antworten auf globale Krisen wie den Klimawandel oder die Finanzkrise? Pah – was ist das schon. Wir sind doch schließlich vorher auch ganz gut, wenn nicht sogar besser zurechtgekommen, oder? Was ist das alles wirklich wert, wenn die EU als wirtschaftsbasierter Interessensverein wahrgenommen wird, an dem sich “die da oben”, die Politiker und Konzerne, „die in Brüssel” bereichern? Und wenn man nicht nur nicht mit-partizipieren, sondern auch nicht mitreden, geschweige denn mitgestalten kann? Was ist eine Wirtschaftsunion in Zeiten der andauernden Wirtschaftsflaute wirklich wert? Wenn der gesellschaftliche Aufstieg nicht mehr möglich scheint und der Wohlstand nur schwer zu sichern ist, sowie das Überleben wieder zum Problem wird? Haben wir nicht dringendere Aufgaben vor unserer Haustüre, als die EU? Nein, haben wir nicht. Denn die heutigen Aufgaben verlangen europaweite, wenn nicht globale Lösungen. Arbeitswelt, Finanzwelt, Wirtschaftswelt, Zusammenleben – all das gehört neu gedacht, an die heutigen Anforderungen angepasst. Gute Ideen dazu gibt‘s erstaunlich viele. Von der Gemeinwohlökonomie über das bedingungslose Grundeinkommen bis zur Rückverbindung der virtuellen Finanzwelt an die reale Welt und dem Neustellen der Frage: Haben wir Geld – oder hat das Geld uns? Und was sind die Alternativen? Aber alle strukturellen und andersartigen Änderungsvorschläge brauchen eines gemeinsam: Sie müssen in eine Richtung gehen, die die Menschen (in diesem Fall Europas) auch wirklich wollen.

Europas neue Ausrichtung muss von uns Europäern mit Herz und Seele gewollt werden

Wenn die Grundfrage “Quo vadis Europa?” nicht geklärt und für jeden Europäischen Bürger auch tatsächlich klar ist, dann diskutieren wir an der kleinsten Kleinigkeit eine Ewigkeit herum. Dann kann ein einziges Veto schon mal das große Ganze ins Wanken bringen. Die Geister scheiden sich an jenen Themen, die zum Stellvertreter der wirklich großen Fragen gemacht werden (siehe “Kopftuch” und Islam/Intergrations-Debatte statt die Frage: Was wollen wir, dass Wirklichkeit wird?). Wo kein Herz und keine Klarheit, da kein Sinn und kein Ziel.

Ein Herz für Europa 

Ein Europa der Herzen, das wär schon was. Europa sollte ein uns gemeinsamer Raum sein, in dem wir uns wohlfühlen, beistehen, als gute Nachbarn verstehen. Nachbarn, die nicht nur nebenan wohnen, sondern die auch aufeinander achten. Nachbarn, die auch mal die Blumen giessen oder die Katze füttern, wenn‘s drauf ankommt. Nachbarn, die sich selbst erst richtig wohlfühlen können, wenn es den anderen auch gut geht. Nachbarn, die Verantwortung dafür tragen wollen, dass es den Menschen in ihrem Umfeld gut geht. Aber das tun wir doch schon, oder? Und zwar schon seit Langem. Das haben wir bereits getan, als man noch mit Pässen reisen und Geld wechseln musste. Sobald es friedlich war, waren wir auch Europäer, nicht nur Bürger jenes Landes, dessen Logo auf unserem Reisepass stand. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht war alles ganz anders? Vielleicht schauen schon seit Langem die Nachbarn auch des kleinsten Dorfes nicht mehr aufeinander…?

Eine/r gegen Alle

Die Vereinzelung, Individualisierung, Isolation – sichtbar im Ansteigen der Singlehaushalte oder im Umsatz der Datingplattformen – greift spürbar seit Jahrzehnten um sich. Das alte, gemütliche Familiengefühl einer angestammten community, die quasi angeborene Zugehörigkeit zu einem regionalen Clan, ging nicht nur in der Großstädten immer mehr verloren. Auch am Land verändert sich alles. Wir werden einander fremd, weil die altherbegrachten Normen und Rituale,  die “die Gesellschaft” vereinten, zunehmend wegbrechen, zu Konsumevents verkommen. Wir driften auseinander, weil sich einzelne ihre Welten bauen, aber diese von anderen nicht gesehen werden (können). Wir sind nicht mehr in einer (traditionsgeprägten) Gesellschaft zu Hause, aber noch nicht in einer Gesellschaft der Einen, der gelebten und akzeptierten Individualität und Vielfalt, angekommen.

Wir leben in einer Übergangszeit, in der das Alte nicht mehr funktioniert und das Neue noch nicht sichtbar, spürbar für alle ist.

Aber es, das Neue, formt sich gerade. Und wir sind mittendrin, statt nur dabei. Genau hier, in all diesen offenen Fragen und mit all diesen Gefühlen der Unsicherheit, können wir unsere Welt so gestalten, wie es die Herausforderungen der Gegenwart und unsere Wünsche an die Zukunft fordern.

Einer für alle, alle für einen

Wir sollten beginnen, uns als Vorreiter einer neuen Welt zu sehen und zu verhalten. Einer Welt, in der Menschen in aller individuellen Unterschiedlichkeit nicht nur ko-existieren, sondern sich gemeinsam entwickeln können. Dazu braucht es Visionäre wie Praktiker – die aus den unterschiedlichsten (Fach)richtungen und von Herzen dasselbe Ziel verfolgen.  Das Ziel kann ein Europa der Menschen sein. Europa, die Menschliche Union. Eine Union, die auf den Menschen (und damit auch auf die sozio-ökologische Nachhaltigkeit und die Wirtschaft als Dienstleister der Menschheit) schaut. Eine Union, die sich als Möglichkeit zur Verwirklichung des Besten aller möglichen Lebens versteht.

Europeans: Unique and United

Dazu braucht es viel und auch nicht. Es braucht viele Menschen, die dies wollen und danach handeln. Und es braucht wenig, nämlich nur die Adjustierung von Entscheidungen an diese generelle Ausrichtung. Ein Europa der Zukunft als Europa der Herzen richtet sich nach dem Menschen, ermöglicht das Aufblühen jeder*s einzelnen in aller Einzigartigkeit, sowie das gemeinsame Wachstum. Oder?

Gut und schön – aber wie?

Das diskutieren wir Bürger Europas am 12. Mai mit Vertretern aus Politik und Medien, Bürgerinitiativen, proeuropäischen Organisationen und Institutionen. Wir stellen uns der Frage, wie ein Europa mit lebenswerter Zukunft aussieht und welche Rolle Österreich und jeder Einzelne bei der Mitgestaltung Europas spielen kann…

EUROPA – DER MENSCH IM ZENTRUM. Symposium zur aktiven Mitgestaltung Europas. Am 12. Mai 2017, von 09.30-17.00 im Haus der Europäischen Union, Wipplingerstrasse 35. Eintritt frei, Infos und Anmeldung unter: http://bit.ly/2oPjGqA 

 

SUPER SIMPLE SOLUTION No 24 – Glück und Seligkeit

Nur ein Stück vom Glück?

Was macht uns wirklich glücklich? Ist es, dass wir Glück haben, also der sprichwörtliche „Lottogewinn“ in all seinen von uns erträumten Varianten? Oder sind es doch bestimmte, noch zu erlangende Umstände, die uns glücklich werden lassen: der Ring am Finger oder das eigene Baby, der coolste Job auf Erden oder massig Ruhm und Ehre? Lässt unsere Herzen vielleicht die pure Vorfreude (etwa auf den Urlaub, das romantische Dinner, das perfekte Weihnachtsfest) oder die Lust an der Sehnsucht (nach der nächsten Liebesnacht, dem idealen Partner, dem schönsten aller Zuhauses) höher schlagen? Mit größter Wahrscheinlichkeit führen alle diese Faktoren zu vorübergehenden Glücksmomenten. Was aber hält uns auf Dauer zentriert im richtigen Hormoncocktail, in der runden Stimmung, im geistigen Reichtum? Die „glücklichen Umstände“ vermögen genau dies nicht zu leisten. Dauerhaftes Glück entfaltet sich vielmehr entlang einer bunten Farbpalette ineinander übergehender Aspekte der tiefen Verbundenheit: Mit sich selbst, mit anderen, mit der Welt – und mit dem Großen Ganzen.

Solche Augenblicke tiefer Verbundenheit entstehen im inneren Freiraum, im aufgabenfreien Zwischenraum, im Unverplanten, in den Lücken zwischen allem und jedem. Diese Lücken sind die Tore zum Ungeahnten, sie bilden die Brücken zum Einssein.

Worauf blicken wir, wenn wir durch diese Spalten in unserer gewohnten Realität hindurch schauen? Und was lassen wir von dort an uns heran, was kommt bei uns an?

Eine kleine Geschichte

Unlängst besuchte ich eine Lesung des Autors Daniel Kehlmann. Das Gespräch auf der Bühne begann damit, rund um Trumps Wahlsieg und die Unglaublichkeit desselben zu kreisen. Ich wollte innerlich schon abschalten, dachte ich hätte bereits alles darüber gelesen, gehört, gesagt, auch ausreichend eigenen Senf dazu geschrieben. Kurz davor, enttäuscht aufzustehen und zu gehen, kippte das Gespräch. Es kippte hinein in die Novelle Kehlmanns. Seine Geschichte handelt von der Auflösung der Wirklichkeit. Von der Unsicherheit, die einen Menschen völlig gefangen nehmen kann, von der Unentrinnbarkeit der Lücken im Leben. Alles dreht sich um die völlige Bemächtigung der Sichtweise, der Wahrnehmungsfähigkeit und des Wesens des Ich-Erzählers durch das, was außerhalb seines Horizonts liegt. Die Öffnungen zu anderen Erlebniswelten pirschen sich an ihn heran, färben seinen Gefühlshaushalt neu ein und vereinnahmen ihn dadurch Stück für Stück. Die Novelle macht auch beim Zuhören Angst. Weil sie jene Möglichkeiten unfassbar spürbar schildert, die eigentlich ungreifbar sein müssten und dennoch zu präsent sind, als dass sich der Protagonist noch an seine bisherige Realität klammern könnte.

Mitten in dieser Lesung war ich mitten in einer Lücke gelandet, in jenem Bruch, der unsere Welt derzeit erschüttert. Mehr noch: ich war nicht nur mitten im Erleben der Bruches, von dem sich noch nicht zeigt ob er der Anfang eines Zusammenbruchs oder der Aufruf zum Aufbruch ist. Ich war zudem in Mitten des Reflektierens darüber, des Redens über das Lückenhafte, das Unglaublich Reale, das Neue Andere im derzeitigen gesellschaftlichen Bewusstsein gelandet. Das irgendwie noch Unwirklich Wirkende aber zugleich Tatsächlich Geschehende wird von Kehlmann dabei nicht als aussichtsreicher Möglichkeitsraum dargestellt, sondern de facto als Horrorszenario. Das trifft den Nagel auf den Kopf, nämlich auf den Kopf jener Menschen, die derzeit nicht so recht wissen, wie sie mit den Brüchen in ihrer, in unserer Wirklichkeit umgehen sollen.

Die Tücke der Lücke

Dass wir in unsicheren Zeiten leben, wissen wir. Sicherheitslücken soweit das Auge reicht. Dass die Gesellschaft sich selbst nicht mehr zu verstehen glaubt, bekommen wir mit jedem „unerklärlichen“ Wahlerfolg und in den diesbezüglichen Kommentaren vermittelt. Vertrauenslücken wohin das Auge blickt.

Im Laufe der Lesung wurde mir die absolute Unentrinnbarkeit, die unsere emotionale Sicht auf das Vage unserer Realität in Bezug auf unsere Erfahrung der Wirklichkeit hat, richtig deutlich vor Augen geführt. Das Problem mit der Offenheit ist, dass wir nicht kontrollieren können, was durch sie hindurch tritt. Die Herausforderung liegt also darin, anzuerkennen, dass unsere Sichtweise auf die Brüche unserer Welt mitbestimmt, was durch sie auf uns zukommt. Dadurch gestalten wir im Hier und Jetzt unsere Zukunft, selbst wenn wir nicht einmal verstehen, was im Hier und Jetzt geschieht. Nennen wir es der Einfachheit halber self-fullfilling-prophecy: Wir sehen, was wir sehen können (wollen) und kreieren damit, was wir erleben werden. Und offenbar sehen derzeit viele Menschen die Zukunft – also was durch die Risse in unserer Wirklichkeit auf uns zukommt – eher schwarz. Nur wenige Menschen sehen strahlend weiß und völlig unbekannt viele sehen bunt.

Bunt sehen zu können heißt, die Lückenhaftigkeit als Teil des Gemäldes seines Lebens wahrzunehmen. Wer bunt sieht, der kann die Bruchlinien in der eigenen Realität, aus denen das Leben mittlerweile nicht mehr nur an den Rändern des Scheinwerfers unseres Blickwinkels besteht, zum ersten einmal erkennen. Buntseher sind zweitens dazu in der Lage, die mit der eigenen Selbst- und Welt-Wahrnehmung interferierenden, reinsickernden Wirklichkeiten anzuerkennen. Und sie können noch mehr. Sie sind drittens dazu im Stande, von rein Sehenden zu den Malern der Wirklichkeit zu werden, indem sie ihre Fähigkeit, durch ihre Wahrnehmung die Form der Interferenzen zu beeinflussen, entwickeln.

Kennzeichen der Seligkeit

Selig sind die, die bunt sehen.

Denn sie lassen sich überraschen. Von Angst, von Lust, von Freude, von Frust.

Selig sind die, die das Leben als das sehen, was es ist.

Als Wunder und Wahnsinn, einzigartig und bedeutungslos angesichts der Weite des Raums und der Vergänglichkeit der Zeit.

Selig sind die, aus deren Lücken Licht strömt.

Denn sie werden die Zukunft auf eine Art beeinflussen, die das Leben lebenswerter macht.

Glückskinder

Glückskinder leben jenseits vom Glauben und diesseits der Angst.

Wer ist ein solches Kind des Glücks? Das Bild meiner alten Großmutter kommt mir in den Sinn. Besonders ihre Augen. Sie war als Jugendliche nahezu blind gewesen. Seither (und nach dem Krieg) erfüllte sie eine unerschütterliche Freude am Leben zu sein und das Leben zu sehen. Diese Freude strahlte durch ihre Augen. Sie waren stets hellblau und zugleich tiefdunkel. Denn sie sah mit ihnen durch die Oberfläche hindurch. Sie erkannte das Lückenhafte in Menschen, sah die Bruchstellen in Selbstbildern, die Ungereimtheiten der Welt, die Unbestimmtheit der Zukunft. Und was sie sah bewegte sie zutiefst. Ihre Augen waren glänzend vor Mitgefühl mit all jenen, die die Großartigkeit zu Sein und zu Sehen nicht spürten und daher sich und anderen Leid zufügten. Sie tat nichts mehr, nichts anderes, nichts Besonderes, außer zu sehen und zu lächeln und ab und zu aus vollem Herzen leise zu singen. Sie war kugelrund und liebte das Leben. Und weil sie rund mit sich war, liebte das Leben sie zurück.

Die Welt ist rund und wir sind am Leben.

Was siehst Du, Glückskind?

SUPER SIMPLE SOLUTION No 23 – Jenseits von Gut und Böse

Gegensätze ziehen sich aus

Trump und Clinton – 2 Pole auf einem Kontinuum von Gut und Böse? Oder beide am „Negativ“-Pol, wie als „die Wahl zwischen Pest und Cholera“ oft in den sozialen Medien vergangener Wochen beschrieben? Aber wer gilt überhaupt als wirklich „gut“ heutzutage? Für die einen vielleicht Bernie Sanders oder Michelle Obama, für die anderen augenscheinlich Viktor Orban oder Recep Erdogan. Der Erfolg der jeweils „anderen“ ist für die „einen“ einfach unglaublich. Wie kann sich diese enorme Spanne zwischen „Gut“ und „Böse“ in unseren Köpfen bloß ausgehen? Wie kann eine(r) für die einen „Gut“ geheißen werden, während er/sie für die anderen absolut „Böse“ wirkt? Warum ist die Bevölkerung so gespalten? Wie kann es sein, dass die Meinungen der Menschen derartig unterschiedlich sind? Die Gesellschaft wirkt zerrissen zwischen Optimisten und Pessimisten, zwischen Progressiven und Konservativen, zwischen Vertrauen und Misstrauen, zwischen Offenheit und Mauern, zwischen „der Welt“ und „der Heimat“. Und je klarer sich die Pole positionieren, umso offenbarer werden die Werteunterschiede, die Lebensweltunterschiede, die emotionalen Unterschiede. Gegensätze ziehen einander aus, sie machen den, die und das „Andere(n)“ jeweils öffentlich nackt und offenbaren dadurch sich selbst, ihre eigenen wertenden Sichtweisen, Engen, Grenzen, Ängste und Hoffnungen.

Vom „Warum?“ zum „Was tun?“

Antworten bzw. Erklärungen für diesen Umstand der offenbar zunehmend auseinanderdriftenden Gesellschaftsteile sind im Zuge des spätestens in diesem Jahr wahrnehmbaren Rechtsrucks in Europa, im Zuge von Entscheidungen der Bevölkerung wie des Brexits und im Zuge des Verlaufs und Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl vielfach diskutiert worden. Um nur einige Faktoren für die Spaltung der Bevölkerung des Westens zu nennen, stehen sich offenbar zwei völlig gegensätzliche Erlebniswelten gegenüber:

  • Abgesichertheit versus Verunsicherung
  • Gefühl der Anerkennung versus mangelnde Wertschätzung
  • Globalisierungsgewinner versus Globalisierungsverlierer
  • Stabiles Selbstbild versus Identitätssuche
  • Zuversicht versus Aussichtslosigkeit
  • Lust am Gestalten der Zukunft versus Angst vor unbewältigbaren Veränderungen
  • Miteinander versus Gegeneinander

Zu diesen Gegensätzen, die unvereinbar daherkommen, gesellt sich die lang und öffentlich gelebte Ignoranz, Häme und Arroganz durch die „etablierten“ Meinungsmacher (links vom „versus“ in der obigen Liste, oft als „Eliten“ bezeichnet) den Sorgen, Kulturen und Kommunikationsweisen der „breiten Masse“ (rechts vom „versus“ in der obigen Liste dargestellt) gegenüber. Alle drei (Angst, kulturelle Zugehörigkeit und einfache, emotionale Diktion) weiß wiederum der Populismus zu bedienen. Er signalisiert all das, was vielen in ihrem Leben fehlt: Hoffnung, Zugehörigkeit, Identität, Sicherheit und macht damit zugleich die Gräben zwischen den Bevölkerungsschichten nicht nur sichtbar und spürbar, sondern zugleich tiefer, breiter – unüberbrückbar. So sieht es zumindest in den Augen der immer wieder hochschwappenden Ohnmachtsgefühle des einen Bevölkerungsteils aus.

Wer gewinnt?

Diese Entwicklung führt zu einer Ausdifferenzierung der Werte von Menschlichkeit und Toleranz auf der einen Seite und von Selbstzentriertheit und Autorität auf der anderen Seite. Es scheint als würden derzeit zwei Wertesysteme zugleich und nebeneinander existieren: Jenes, das auf die „Macht des Stärkeren“ vertraut und jenes, das auf den „Verstand der Gebildeten“ setzt. Faust gegen Hirn.

Aber mit dieser Sichtweise sind wir genau da, wo wir keinesfalls sein sollten: in der entweder-oder-Falle!

Wo ist das Herz?

Denn Überlegenheit, Abwertung oder Ausgrenzung der jeweils anderen Seite sind Merkmale beider Parteien und machen die dabei entstehende Reibungswärme potenziell explosiv. Gutmenschen und Diktatoren – beide folgen dem alten Prinzip „teile und herrsche“, indem sie die Welt durch ihre Handlungs- und Kommunikationsweisen in schwarz und weiß trennen. Das funktioniert allerdings nicht auf Dauer. Nicht, ohne die jeweils „eigenen“ Unterstützer in die Aggression und den Kampf für das jeweils aus eigener Sicht „Gute, Richtige“ zu führen. Kampf ist das Gegenteil von Friede. Doch durch Wegschauen wird sich der Friede nicht einstellen. Was folgt aus diesem Patt? Der gesellschaftliche Herzstillstand, weil Kopf und Bauch nicht und nicht zueinanderfinden?

Spannungsfeld oder Schlachtfeld, das ist hier die Frage

Spannend ist an sich alles, was sich zwischen 2 Polen positioniert und von dort aus auf ein Ideal zubewegt. Solche Ideale sind für die einen vielleicht „Eine Welt ohne Rassismus“ und für die anderen vielleicht „Eine Welt ohne Fremde“. Und jedes Ideal kann im Vergleich zur Realität Anlass zum Kampf oder aber zum Hinterfragen des Ideals sein. Die Spannung zwischen Realität und Ideal lässt sich nur durch Bewegung in die eine oder andere Richtung auflösen.

Entspannend wirken würde hingegen der Entschluss, die Polarität selbst und an sich aufzulösen, zu transzendieren, in einen dritten Weg umzuwandeln. Dazu gälte es, die Realität als solche anzuerkennen und die jeweils vorhandenen Ideale als Inspiration zu verstehen, um in jeder Situation das zu tun, was… Ja, was denn?

Wo wollen wir denn überhaupt hin?

Es ist wieder einmal so weit in der Geschichte: Wir müssen uns überlegen, wo wir als Menschheit hin wollen. Derzeit leben wir unter anderem im Spannungsfeld zwischen den Polen Haben und Sein. Die, die haben, wollen einfach nur weiterhin so sein können, wohl-habend, friedlich und miteinander. Die, die „nur“ sind, wollen einfach mehr haben, wollen „wer“ sein, dazugehören. Notfalls mit Gewalt und gegen „die Anderen“, im Wohlstand oder der Bildung Etablierten.

Wer hat Recht?

Leider wieder so eine „falsche“ Frage. Es geht nicht um den richtigen, den rechten, den guten oder schlechten Weg. Es geht darum herauszufinden, was wir wollen und wie wir dorthin kommen. Mein Vorschlag: Haben und Sein. Wohlgefühl kann beide Seiten verbinden. Und lässt sich vielfältig herstellen. Statt „Wer hat Recht?“ lautet die Frage dann „Wo und wie fühlt es sich gut und richtig an?“ Die Antwort ist auch eine kulturelle: Wo kann und will jemand dazugehören? Hier liegen die möglichen „Heimatländer“ momentan eben sehr weit auseinander. Die Jungen, jene aus urbanen Gebieten und mit höherer Bildung wollen sich in der Welt zu Hause fühlen. Die Älteren, Ländlicheren und mit weniger Bildung wollen es sich in ihrem altbekannten Zuhause ungestört gemütlich machen – oder sich zumindest ein Zuhause sichern. Beide Wege zeigen diametral auseinander. Und wir können die Dualität nicht auflösen, indem wir die eine oder die andere Seite mit einer „entweder-oder“-Sichtweise betrachten. Es darf schlichtweg nicht um Sieger und Verlierer gehen, selbst wenn es tatsächlich welche gibt und geben wird.

Es muss um einen neuen Weg gehen, der an das Alte anzuknüpfen vermag, und der sich gut anfühlt.

Ein für alle gangbarer Weg. Er gehört ermittelt, kommuniziert und von auf beiden Seiten akzeptierten Menschen authentisch vorgelebt. Ohne sichtbare Verkörperung des Dritten Weges wird es schwierig, weil wir dann in der Öffentlichkeit nur Personifizierungen der einen oder der anderen Seite sehen.

Der Dritte Weg

Wie kann er aussehen, der „Dritte Weg“? Es ist sicherlich nicht der Dritte Weltkrieg. Und zugleich dürfen bestimmte „heiße Eisen“ der Geschichte, Gegenwart und Zukunft nicht verdrängt werden. Warum werden Menschen radikal? Weil sie sich nicht zugehörig fühlen. Nicht geliebt, anerkannt, verstanden, wertgeschätzt. Einsamkeit, Aussichtslosigkeit und Trostlosigkeit macht Menschen aggressiv. Aber sobald sich die derart negativ Gestimmten, die Angstbesetzten und Aggressiven gegenseitig bestärken, haben sie auf einmal alles: das Gefühl, gesehen zu werden, dazuzugehören, Anerkennung, Wertschätzung, Identität. Die gesellschaftliche Verurteilung durch den „Mainstream“ wirkt lange nicht so stark, als dass sie diese verlockende Anziehungskraft aufheben könnte. Ganz im Gegenteil. Plus- und Minuspol, Positivität und Negativität befinden sich momentan im Gleichgewicht. 50:50. „Was machen wir daraus?“ ist die einzig relevante Frage.

Zeit für einen Perspektivenwechsel

Statt „Es war einmal…“-Erzählungen zu schmieden ist es Zeit „Es wird einmal…“-Bilder zu schaffen und zu konkretisieren. Bilder, die auch die Folgen vergangener (Fehl-)Entscheidungen auf die mögliche Zukunft projizieren. Wie sieht unsere Welt in 10 Jahren aus, wenn wir weiter Mauern auf allen Ebenen bauen? Wie sieht sie aus, wenn wir es nicht tun? Wie sehen die zukünftigen Lebensbedingungen in diktatorisch geführten Ländern aus? Und wie sehen sie in demokratisch bestimmten Ländern aus? In welcher Welt wollen und können wir leben?

Wir brauchen zudem realistische Bilder eines funktionierenden Miteinanders ohne allen Gutmenschentums oder Populismus und im Angesicht der Hoffnungen und Ängste der Menschen. Dazu braucht es Kreativität und den Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue gangbare Visionen zu entwerfen – und die Weisheit, das Bisherige nicht außer Acht zu lassen. Wir alle sehnen uns nach Neuem und nach Sicherheit, nach Entertainment und nach Souveränität, nach Authentizität und Vertrauenswürdigkeit.

Die Synthese von Gut und Böse

Was wir brauchen sind Künstler*innen des politischen Alltags, die glaubwürdig wie Bernie Sanders und Donald Trump in einer Person für eine Zukunft eintreten, die für alle oder zumindest die meisten wünschenswert oder zumindest akzeptabel ist. Wir brauchen Revolutionäre*innen der Ehrlichkeit, Visionäre*innen der Menschlichkeit, Radikale des Mitgefühls, Weise der Wirkungsweisen, leuchtende Führer*innen durch unsichere Zeiten. Frauen und Männer, die beinhart zu sich selbst und der Welt, in der sie leben und leben möchten stehen. Wir brauchen Seher*innen, die vorleben, wie eine Zukunft im Wohlgefühl für alle aussehen kann. Ist das einfach? Ja und Nein. Ja, weil es solche Menschen gibt. Und Nein, weil der Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung da steht, wo er sich gerade zuspitzt: in der Bewusstmachung der Gegensätze. Sind sie der Bevölkerung klar genug, ohne dass es zu einem „entweder-oder“-Kampf kommt, kann sich der dritte Weg herauskristallisieren, verkörpert und angenommen werden.

Super Simple Solution No 3 – Der Europäische Frühling

Genug vom Europäischen Winter!

Das Wetter ist scheußlich. Im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn. Es wird höchste Zeit für Wärme und Licht. Wenn ich aus dem Fenster sehe – und wenn ich auf Europa blicke. Daher fangen wir heute zur Abwechslung gleich mit der Lösung des Problems an:

Europa im Frühling

Wie kann ein Europa aussehen, das de facto aufblühend aus all seinen Krisen hervorkommt? Kann es das überhaupt geben? Sind wir nicht dem sicheren Untergang geweiht?

Nein. Wir erleben schlichtweg in jedem Augenblick das, was wir aus unserer Situation machen. Jeder von uns bestimmt die Richtung, in die wir uns bewegen, mit. Durch unsere Einstellung, unsere Sprache, unser Handeln verändern wir unsere Welt mit jedem Atemzug. Nichts ist tatsächlich so, wie in unseren Erwartungen (seien sie nun durch Angst oder von Hoffnung gespeist).

Alles ist wie es ist – und zugleich haben wir die Macht, durch unser Tun das Werden zu verändern.

Was gilt es also zu tun, wenn wir jetzt und in Zukunft ein friedliches und konstruktives Miteinander in aller Vielfalt und trotz aller Krisen erleben wollen?

Die Antwort ist überraschend einfach: Seien wir genau jetzt, im Angesicht der offenen Entwicklung in eine noch nicht feststehende Zukunft, jene Menschen, mit der wir unsere Welt bevölkert sehen wollen. Hier liegt die Lösung: Entscheiden wir uns für ein gemeinsames Europa. Leben wir, und zwar jeder einzelne von uns, Frieden, Freiheit, Freundschaft und Gerechtigkeit vor. Hier und jetzt – für alle sichtbar, weltweit.

Sie fragen sich vielleicht: Wie und warum? Hier kommen einige praktische Ansätze:

Europa im Umbruch

In Zeiten anhaltender Krisen (Finanz, Wirtschaft, destabilisierte Staaten, und ja, drängende Flüchtlingsfragen) gilt es, einen klaren und sinnvollen Weg einzuschlagen. Ein solcher ergibt sich aus einem gemeinsamen Ziel, welches die Frage zu beantworten vermag: Quo vadis Europa?

Was sich derzeit im Umbruch befindet ist vor allem das Selbstverständnis, mit dem wir Europäer (die wir uns selten als solche begreifen, außer wir sind im nicht-europäischen Ausland) die Privilegien der ersten Welt für uns beanspruchen. Ja, es sind unsere Selbstverständlichkeiten, die derzeit in Gefahr scheinen: unsere Sicherheit (Arbeit, Einkommen, Pensionen, Wohlstand und Wohlgefühl) und unser Wachstum (die berechenbar positive Entwicklung von Wirtschaft oder die Güte unserer Bildung) – ganz generell gesagt: unser lieber Frieden und die schönen Aussichten stehen derzeit auf dem Prüfstand.

Bricht Europa auseinander?

Die einen sagen: Früher war alles besser. Naja, kommt darauf an, wie viel früher. Das ist definitiv eine Generationenfrage. An den letzten Krieg denken möchte dann doch keiner.

Einen ähnlichen aber in Zukunft zu vermeiden, daran zeigen besonders jene kein Interesse, die derzeit zurück zur vermeintlichen Stabilität der 80er, 90er und 2000er wollen. Eine egogetriebene Stabilität, die in weiten Teilen die aktuellen Krisen mitverursacht hat. Die Vorgehensweisen der Gewinnmaximierung durch etwa (un)wahrscheinlichkeits-berechnete Spekulation oder die Hoffnung auf ewiges Wirtschaftswachstum haben wohl vielen den Blick auf nachhaltig sinnvolle, weil langfristig stabile Strukturbildungen verstellt. Schnelle, weil krisenbedingte Strukturänderungen stellen jedoch für Menschen, die ihre Notwendigkeit nicht sehen, weil sie an „der guten alten Zeit“ und ihrer scheinbar ruhigen Vorhersehbarkeit hängen, eine schwere Irritation dar. Schock und Abwehr sind die Folgen. Angst greift um sich. Allesamt Emotionen, die das Gegeneinander schüren und Probleme vergrößern, anstatt im und durch das Miteinander Lösungen zu suchen, zu finden und umzusetzen.

Europa im Aufbruch

Worüber wir uns zumeist einig sind: Aufhetzen und Panikmachen sind keine effizienten Wege zu effektiven Lösungen. Negative Emotionalisierung nährt die Abwehr und das Verurteilen, um nicht zu sagen das Vor-Urteilen. Fühlen wir uns angegriffen, folgt eine Stressreaktion: fight or flight, wie es so schön heißt. Aber Flüchten geht derzeit nicht gut, nicht einmal in die Unterhaltung oder den Genuss (wie es unsere Konsumgesellschaft ja schon so lange recht erfolgreich mit dem Verdrängen der Probleme dieser Welt tut). Flüchten bringt nichts, schon gar keine Hoffnung – das führen uns die vielen Flüchtlinge momentan nur allzu offenbar vor Augen.

Bleibt also das Kämpfen. Aber wollen wir nicht gegen etwas sein (wie kämpft man gegen Finanz- und Wirtschaftskrise oder gegen destabilisierte soziale Systeme?), dann stellt sich die Frage: Wofür? Wofür wollen wir kämpfen?

Oder gibt es vielleicht noch andere Handlungsalternativen? Wohin bitteschön, sollen und können wir mit all dem individuellen und kollektiven Stress, der uns Europäer aktuell aufmischt?

Die Macht unserer Wahl

Flucht, Kampf oder Stressabbau. Das sind scheinbar unsere drei Wahlmöglichkeiten.

Um die bestmögliche Wahl punktgenau und kräfteschonend zu treffen, ist es hilfreich, zuvor eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Die kann meiner Meinung nach nur ein „Ja zu Europa!“ sein. Denn am derzeitigen Scheideweg der Geister und Handlungen gibt es nur ein Ja oder Nein. Klar, über Form und Struktur Europas kann man dann wieder streiten. Aber eines sollte klar sein: Europa steht als demokratischer Verbund für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Und das soll so bleiben. Am besten im Angesicht der Krisen noch wesentlich profunder verwirklicht werden! Ab dieser prinzipiellen pro-Europäischen Entscheidung liegen wieder unsere 3 Wahlmöglichkeiten vor uns: der Kampf, die Flucht und der Stressabbau.

Handlungsvariante 1: Der Kampf

Für ein solches Ziel, für ein solches Europa wollen und können wir tatsächlich guten Gewissens kämpfen. Auf so viele Arten und Weisen: Im täglichen Gespräch mit allen möglichen Menschen, in (social) medialen Diskussionen, in Demonstrationen, in Hilfsaktionen. Wenn wir uns unserer prinzipiellen Einstellung und leitenden Motive bewusst sind, dann nimmt der Kampf eine proaktive Haltung ein, keine streitende, aggressive. Wir sind dann bedingungslos FÜR Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Und zwar ALLER Menschen.

Bleiben als Alternativen die Handlungsvarianten 2 + 3:

Flucht und Stressabbau

Beginnen wir mit dem Stressabbau: Eine gute Verbindung zu Mitmenschen ist erwiesenermaßen (siehe mein Buch „Die Kunst der Begegnung“) ein Garant für nachhaltigen Stressabbau: Das intensive Gespräch, das einander-Halten, das für einander Da Sein – ob wir das Gegenüber nun kennen oder nicht – führt zu Wohlgefühl, zu innerer Stabilität, zu Selbstvertrauen und Weltvertrauen. Und wenn das Gegenüber nicht will? Dann gibt es genügend andere, mit denen wir eine vertrauensvolle Stimmung aufbauen können. Und das braucht Europa derzeit wirklich: Vertrauen in uns als seine Bürger, in unsere Gegenwart und Zukunft. Nein, die Politik ist nicht an allem Schuld. Ja, wir können Verantwortung tragen und dazu beitragen, dass unsere Gegenwart und Zukunft menschlicher, wärmer, hoffnungsvoller und ganz real angenehmer und stabiler wird. Jeder Mensch, der sich selbst stabil und zugleich offen hält, ist ein Beitrag zu jener Zukunft, die es an uns liegt, derzeit zu gestalten.

Und die Flucht? Lassen wir die Ablenkung mal außen vor. Reine Ablenkung, Verdrängung und Ignoranz setzt selten aktiv Veränderung in Gang. Man kann natürlich darauf hoffen, dass alles einfach vorbei geht und wir unbeschadet davon kommen.

Eine etwas andere Art der Realitätsflucht sind gute Bücher, aufbauende Filme, aber auch Sport, Genuss, Natur. Statt Fluchtpunkte bieten sich hier eher Kraftquellen, die wir uns gerade in dieser aufreibenden Zeit gönnen sollten. Jedenfalls solange, wie wir die Balance aus Realität und Fiktion dazu nützen können, unsere Welt in eine anstrebenswerte Wirklichkeit zu verwandeln.

Wir haben die Wahl. In jedem Moment. Abwehr oder Offenheit, Zurückziehen oder Stress abbauen. Alles ist möglich. Wissen wir, wofür wir selbst stehen, fällt die Entscheidung, was in jedem Augenblick am sinnvollsten zu tun ist, nicht schwer. Die Folgen eines solchen Handelns sind weitreichend.

Wir können uns sogar ein blühendes Europa vorstellen!

Wie kann so ein Europa aussehen? Es ist ein Europa mit gleichen Rechten und Pflichten für alle, die hier miteinander leben. Ein Europa, das dadurch letztendlich auch als Vorbild für ein friedliches und gerechtes Miteinander in globalem Ausmaß dienen kann. Feiern wir unsere Tradition und denken wir weiter als nur bis zum nächsten Vorteil oder zu den Herausforderungen des Alltags. Stellen wir uns weiterhin den Herausforderungen des Menschen und der Menschheit an sich. Entwickeln und etablieren wir heute Lösungen, die das Potenzial dazu haben, eine Zukunft für alle zu sichern. So weit muss Krisen-Management gehen. Danach sollte sich die Führung in Krisenzeiten und durch Krisen orientieren.

Die Vision eines gemeinsamen Europas hat die Macht, unsere täglichen Entscheidungen, seien sie politisch und menschlich, zu leiten. Eine solche Vision hat auch die Kraft, dem Abendland einen Frühling zu bescheren. Und das nicht auf Kosten anderer, sondern zum Vorteil aller.