Wünschel-Route
Welchen Weg müssen wir gehen, damit sich unsere Wünsche erfüllen, jetzt wo es das Christkind doch schon etwas länger nicht mehr gibt (schade eigentlich)? Was oder wer bestimmt, ob unsere Wünsche Wirklichkeit werden? Sollen wir es mithilfe des Gesetzes der Resonanz versuchen, also indem wir die Schwingung unseres Bedürfnisses mit der Schwingung einer andernorts vorhandenen Überfülle zu vereinen suchen? Sollen wir auf den günstigen Zufall hoffen oder ist doch eher das Schicksal der Vater aller Wunscherfüllung? Sollte gar die sagenumwobene Synchronizität die Mutter aller Verwirklichungskräfte sein? Mit ihr ist jene gleichzeitige und gegenseitige Verstärkung von menschlicher Fokussierung, sowie räumlichen, zeitlichen und situativen Gegebenheiten gemeint, die zu schwer nachvollziehbaren komplexen Ursache-Wirkungs-Interferenzen führt. Klingt alles samt irgendwie kompliziert, oder?
Ist denn wirklich wichtig, wodurch unsere Wünsche in die Realität transferiert werden? Ja, es ist. Denn wozu sollte ein Wunsch gut sein, wenn er unserer Kontrolle entrinnen, unserer berechtigten Hoffnung entfleuchen kann und wir letzten Endes enttäuscht werden? Wäre es unter diesen Umständen nicht viel einfacher, „einfach wunschlos glücklich“ zu sein, weil wir uns damit viele Frustrationen ersparen würden – und uns das Leben quasi aus dem Nichts heraus eines ums andere Mal positiv überraschen könnte? Nein, wäre es nicht. Wir sind Menschen, uns liegt das Hoffen, Wünschen und Sehnen im Blut, in den Genen: Wir streben nach mehr, nach angenehmer, weiter, schöner, gescheiter, jünger, besser, anders, nach unerreichbar. Wünschen ist wichtig, gerade weil wir unsere Wünsche niemals völlig befriedigen können. Unsere Unzufriedenheit ist eine starke Triebfeder für Entwicklung, für Neugierde. Die Spannung macht Lust auf Lösung, die Leere ruft nach der Fülle. Die Fülle schreit nach mehr, nach anders. Nicht nur zu Weihnachten. Aber wie sollen wir richtig wünschen, sodass wir nicht enttäuscht, sondern erfüllt, beglückt und überaus angenehm überrascht werden, und zwar immer wieder?
Der Weihnachtsmann oder das Christkind
Wer – wenn schon nicht was, also welche Methode – ist eigentlich für die Wunscherfüllung zuständig? Ist der Staat verpflichtet, alle seine Bürger lebensfähig zu erhalten? Sind die Eltern dazu verpflichtet, Kindern alle Träume zu erfüllen? Muss der Partner den Vorstellungen seines Gegenübers entsprechen? Wer macht uns froh und zufrieden und: muss er/sie das?
Auf diese Frage gibt es zweierlei Antworten, beide machen uns zumindest auf den ersten Blick nicht unbedingt rundum happy. Erstens: Es sind andere Menschen und ganze Systeme für das höchsteigene Wohl zuständig. Das ist schön, wenn diese die Verantwortung tatsächlich übernehmen. Es macht uns jedoch zugleich hochgradig abhängig von ihnen. Zweitens: Wir sind es selbst, die für unser Wohl und Weh zuständig sind. Das macht die Wunscherfüllung planbarer und überschaubarer, aber der Zufallseffekt ist wohl eher limitiert, ebenso wie alles, das außerhalb unseres naheliegenden Wirkungskreises aktiviert werden müsste. Und es ist durchaus befriedigend, Ziele zu erreichen, sich Geschenke zu kaufen, Wohnträume zu verwirklichen. Fühlt sich alles gut und richtig an, sofern es uns gelingt, unsere Vorstellungen in die Realität umzusetzen. Viel zu oft hinterlassen aber gerade die hart erarbeiteten Ziele eher das schale Gefühl eines abgehakten Etappenziels auf dem Weg ins Nirgendwo. Wie also richtig wünschen?
Wunscherfüllung, aber richtig
Praktisch wäre folgende Einstellung:
Nichts von anderen erwarten und sich über alles freuen, was da kommt.
Alles von sich selbst erwarten und sich stets wundern, wenn es anders kommt.
Aber wer lebt schon so? Erwarten wir nicht immer mehr von anderen, als diese uns bieten oder liefern (können)? Das Resultat sind wiederkehrende Ent-Täuschungen. Und erwarten wir andererseits nicht meist mehr von uns selbst, als wir in der Lage sind zu erfüllen? Wobei uns das meist sauer auf uns selbst macht. Beides, die Frustration und die Unzufriedenheit mit oder sogar Wut auf sich selbst und andere, sind Gefühlszustände, die weitab von der wunschverwirklichenden Strahlkraft liegen, wie sie etwa in „The Secret“ beschrieben wird. Spüre dein Wunschziel in dir – dann geht es in Erfüllung, magisch angezogen durch deine Ausstrahlung. Hach schön wär‘s. Denken wir aber beim Wünschen versehentlich eher an den Mangel als an das Ziel (und das geschieht leider viel zu oft), dann wird das Mangelbewusstsein gestärkt und uns zu noch mehr Mangelzustand führen (in beiden Fällen wirkt das „Gesetz der Bestätigung eigener Vorannahmen“, vulgo: die selffulfilling-prophecy). Wünschen wir uns mehr Geld oder endlich den richtigen Partner? Schwupps, schon sind wir in der Mangelfalle. Tun wir hingegen so, als hätten wir alles Geld der Welt, werden sich voraussichtlich unsere Schulden erhöhen. So will das mit dem Wünschen irgendwie nicht klappen.
Was wirklich wirkt
Wollen wir ein Leben in der Fülle, im Wohlgefühl mit uns selbst und der Welt führen, dann gilt es, diesen Zustand in uns selbst herzustellen. Punkt. Alles andere, also Wunscherfüllung und Wohlgefühl von außen und anderen und in Form bestimmter Dinge ist ein Geschenk, das wir dankbar annehmen oder ablehnen können. Hilfreich dabei ist es anzuerkennen, dass der Mensch nicht auf dauerhafte Zufriedenheit und Glücks-Hochs gepolt ist. Wir leben recht gut und vor allen gewohnheitsmäßig in der Qualität des Auf und Ab, des Angenehmen und Unangenehm, des Kalt-Warm. Ohne das eine wäre das Erkennen und Wahrnehmen des anderen gar nicht möglich. Wären wir keine Wesen der Polarität, der Hochs und Tiefs, dann würden wir in der ewigen Mitte, in der reinen Gelassenheit, in der völligen Unberührbarkeit verweilen. Seien wir uns ehrlich, wer will das schon? Also: Rein in die breite Farbpalette des Lebens, der Gefühle, des Wünschen und Sehnens, Freuen und wieder Loslassens.
In einem Zustand der erwartungsfreien Offenheit wird es möglich, so tief in sich hinein zu spüren, dass wir herausfinden, was wir gerade brauchen, nicht was wir wollen. Unsere Wünsche verdecken unsere Bedürfnisse nur allzu oft. Wir können mit etwas Einfühlung auch leicht erkennen, welche unsere ureigenen Wünsche sind und welche wir von anderen übernommen haben (von Menschen aus unserer Vergangenheit, aus Medien, von unserer Umgebung). So viele Wünsche gehören uns gar nicht. Welch unglaubliche Erleichterung!
Wir können uns in dieser frischen Unvoreingenommenheit dazu entscheiden, den Wunsch eines anderen Menschen für ihn wirklich werden zu lassen – wir sind dann sein Christkind, Schicksal, Zufallsmoment. Wir müssen aber nicht. Früher oder später führt ein solches Handeln zur Erfahrung, dass das eigene Wünschen reiner, schöner Selbstzweck sein kann. Das Wünschen selbst macht dann Freude, unabhängig von der Form oder der Art und Weise der Wunscherfüllung: Im Spagat zwischen dem tatsächlich Machbaren (etwa einem Wochenende in einem schönen Hotel) und dem idealen, unerreichbaren Zielbild (beispielsweise einem Schloss in Südfrankreich) liegt ein freudvolles Reich an Möglichkeiten und Varianten, die Palette der Annäherung und Distanzierung vom Idealwunsch auszukosten. Sich für keine Möglichkeit zu verschließen („das geht ja eh nicht“) und sich an keine Variante zu klammern („Es muss unbedingt das Wasserschloss an der Loire sein“) hält uns im prickelnden Zwischenraum des Aussichtsreichen, ohne in die Sehnsucht des Abwesenden zu kippen. Hier, in diesem Zwischenreich mit 360 Grad Panoramablick in alle Realisierungsrichtungen erleben wir das Wünschen als Wunder-voll. Hier macht es tatsächlich nur Spaß und liefert fruchtbare Inspirationen für den tagträumenden Alltag und für die vorfreudige Planung der tatsächlichen Zukunft. Wunsch-voll glücklich lächeln wird dann aus der Fülle des Abwesenden, Vorgestellten und Realisierten heraus – alles und mehr kann kommen, so oder anders…