SUPER SIMPLE SOLUTION No 12 – Zur Ökologie des Humanen

Menschlichkeit

„Vor nichts soll man sich so hüten als vor dem Aufwachsen jenes Unkrauts, welches Anmaßung heißt und in uns jede gute Ernte verdirbt.“ – Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Was macht einen Menschen aus, was unterscheidet ihn von Tier und Pflanze? Zunächst einmal, dass er sich seiner selbst bewusst sein kann. Bewusstheit, Reflexionsfähigkeit, Denkvermögen – all dies sind üblicherweise dem Menschen zugeordnete Qualitäten. Sie können dazu genutzt werden, sich selbst und andere zum Wachsen, zum Blühen und Gedeihen zu bringen – oder eben dazu, sich und andere zurechtzustutzen, dahinvegetieren oder gar eingehen zu lassen. Und sofort drängt sich ein Argument für das Kleinmachen, Kleinhalten auf: Der gesunde Baumschnitt, das notwendige Unkrautjäten, der ideale Garten. Ja, und so schnell geht es. Das Rechtfertigen von Eingriffen ins Wachstum von Menschen. Eltern, Schule, Arbeit, Mitmenschen – alle maßen sich an, uns selbst und andere Menschen formen zu wollen. Doch wohin soll uns dies führen? In den Garten Eden?

Zwischenmenschlichkeit

„Die Wüste wächst: weh, wer zur Wüste ward! // Wüste ist Hunger, der nach Leichen scharrt. // Ob Quell und Palme sich hier Nester baun // Der Wüste Drachenzähne kaun und kaun“ – Friedrich Nietzsche, Fragmente

In der Zwischenmenschlichkeit beweist sich die Strapazierfähigkeit eines Gewächses namens Mensch. Zwischenmenschlich verursachte Überschwemmungen (Überforderungen), Stürme (Angriffe), Dürren (Entzug von Aufmerksamkeit) oder der Mangel an fruchtbarem Boden (fehlende Unterstützung) lässt die Pflanze „Mensch“ verkümmern, reduziert sie aufs blanke Überleben. Aufs tierische Reiz-Reaktionsspiel: Siegen oder Verlieren. Leben oder Sterben. Manche behaupten, dass wir in voller Absicht solchen „regulierenden“ Einwirkungen ausgesetzt werden, die jede Menschlichkeit in uns erodieren lässt und uns in Funktionsmaschinen verwandelt. Wir sollen viele Früchte tragen, damit sie jemand anders essen kann. Wir werden „kultiviert“, damit wir eine reiche Ernte abgeben. Aber welcher Natur ist diese Ernte? Wer sich und andere auslaugt, in die Enge treibt und der essenziellen Nährstoffe entzieht, erntet letztendlich nur eines: Wüste. Und die Wüstlinge fühlen sich bestätigt. Aber wie damit umgehen?

Wer wildert den Wildwuchs an menschenverachtender Überregulation?

„Im Kampf mit der Dummheit werden die billigsten und sanftesten Menschen zuletzt brutal. Sie sind damit vielleicht auf dem rechten Wege der Verteidigung, denn an die dumme Stirn gehört, als Argument, von Rechts wegen die geballte Faust. Aber weil, wie gesagt, ihr Charakter sanft und billig ist, so leiden sie durch diese Mittel der Notwehr mehr, als sie Leid zufügen.“ – Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Anders ausgedrückt: Die Faust – ganz egal ob in verbaler, emotionaler, körperlicher Form oder durch Ignoranz dargebracht – bringt’s einfach nicht im Umgang mit Kleinmachern, Kleingeistigen oder auch Kleinbeigebern. Letztere haben eine oft unbeachtet große Macht inne, nämlich die des Selbstbetruges, die es scheinbaren Heilsbringern ermöglicht, die Menschlichkeit weiter zu beschneiden:

„Die Anhänger eines großen Mannes pflegen sich zu blenden, um sein Lob besser singen zu können.“ – Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Was wir hingegen tatsächlich brauchen, um uns weiter zu entwickeln – über das blanke Überleben hinaus zu Menschen, die zur Mitmenschlichkeit fähig sind – ist eine Kultur des menschlichen Wachstums! Schluss mit dem Kultivieren des Kampfes gegeneinander. Warum wird Leistung immer im Vergleich zu anderen gemessen? Damit es Sieger gibt? Davon gibt es naturgemäß viel zu wenig, warum sollte das alle Menschen zum Kampf motivieren? Damit Gewinne eingefahren werden können? Vielleicht. Aber warum wird oft nur da gewonnen, wo andere verlieren? Die Antwort auf beide Fragen scheint nahe zu liegen: Die Kultur des Kampfes gegeneinander existiert, damit es Sieger und Verlierer gibt. Das Spiel der konkurrenzbasierten Zivilisation, die Mechanismen des Gewinnens in der Wirtschaft, bauen auf diesem Prinzip auf. Damit sich letztendlich die Gruppe der Sieger behaupten kann, ihr Haupt hoch tragen kann, ihren Platz an der Sonne findet und sich bestätigen kann. Und damit die Verlierer ihre Arbeit tun, nämlich den Gewinnern zuzuarbeiten.

Schluss damit! Es ist Zeit fürs sich selbst und sich gegenseitig Aufbauen, Guttun, Wohlwollen!

Es ist Zeit für eine Kultur der Menschlichkeit, die sich durch ein kultiviertes Miteinander zum besten aller auszeichnet.

Wachstumsförderer

Mitfreude, nicht Mitleiden, macht den Freund.“ Friedrich Nietzsche, Der Mensch mit sich allein

Die entscheidende Frage zu stellen, ist zunächst einfach: Was brauchen Menschen, um zu wachsen? Die Antwort scheint ebenfalls leicht: Nahrung, ein Heim, Sicherheit, Zugehörigkeit, Anerkennung, Wege zum Selbstausdruck – schlicht ein gutes, weil Körper, Geist und Herz wohltuendes, förderliches Verhältnis zu sich und anderen.

AAAAber!“, werden dann die Wüstlinge und Großplantagenbesitzer einwenden: „Wenn jeder so darf wie er will, dann gibt es ganz sicher Chaos, Mord und Totschlag. Anarchie! Keine Regeln und keine Hierarchie, das macht aus Menschen Tiere. Und die Welt wird ein Selbstbedienungsladen der Egoisten und Gewalttätigen…“ Sagen u.a. eben diese, vielleicht aus einem Hauch an Selbsterkenntnis heraus. Wir alle kritisieren und befürchten letztendlich, was wir von uns selbst her kennen, in uns gesehen haben, befürchten oder uns zutrauen.

Doch auf diese Abwehrhaltung gibt es auch eine Antwort, sie ist allerdings etwas vielschichtiger: Es geht nicht darum, keine Regeln des menschlichen Miteinanders (à la 10 Gebote, Menschenrechte, Gesetze etc.) mehr zu haben. Es geht vielmehr darum, dem Menschen als Wesen seine Entwicklung zu ermöglichen. Und dafür die Rahmenbedingungen in sich, in anderen und in der Umwelt herzustellen. Was braucht die Pflanze, um zu wachsen? Licht, fruchtbaren Boden, Wasser und vielleicht Tiere, die beim Fortpflanzen helfen, sprich die Bestäubung übernehmen. Der Mensch braucht nicht viel anderes zum Wachstum:

  1. Licht: Sonnenlicht und das Licht der Aufmerksamkeit in und auf sich – und von und auf andere(n).
  2. Fruchtbarer Boden: die Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt so zu verdienen, dass Körper, Herz und Geist nicht eingehen, sondern mit Nährstoffen (etwa in Form von Nahrung, Anerkennung und Inspiration) versorgt sind.
  3. Wasser: „es regnet“ bedeutet für die meisten schlechtes Wetter und eine getrübte Stimmung. Doch wir brauchen die Ruhephasen, die Tiefgänge, die Reflexion, das „Im Trüben Fischen“, um uns kennenzulernen und über unsere Vorannahmen und Grenzen hinauszuwachsen.
  4. Tiere: Ein bisschen Liebe darf und muss sein. Körperlich und aus vollem Herzen.

 Kooperations-Kultur

Der Dünger gemeinsamen Wachstums ist die wohlwollende Einstellung. Jedes einzelnen. Zu sich und zu anderen, zur Welt. Und das Vertrauen, dass wir – und zwar jeder von uns – das Zeug zum Wachstum haben. Warum fällt das vielen aber so schwer? Weil sie eben in keiner wachstumsfördernden Umgebung aufgewachsen sind, keine vertrauensvolle Einstellung aufbauen konnten und vielleicht selbst jetzt noch in einem Umfeld voller Argwohn und Ablehnung dahin darben. Ihre Stärke holen sie sich dann vom Überwuchern anderer. Oder sie reduzieren sich aufs blanke Überleben. Und die Wildnis und Wüste rufen…

Zivilisation quo vadis? Wir gehen und wir bestimmen, wie es uns geht. Und damit wohin wir gehen. In jedem Augenblick haben wir die Chance, uns und anderen Licht zu spenden – durch unsere Aufmerksamkeit. Wir können uns und anderen einen fruchtbaren Boden aufbereiten, indem wir unsere Arbeit so erledigen, dass wir auf Körper und Emotionen Rücksicht nehmen, ebenso wie wir auf weiteres Wachstum anregende geistige Aussichten Wert legen. Wir können den Regen des Lebens offen aufnehmen und mit seiner Hilfe unsere Wurzeln in der Tiefe festigen.

Auf dass sich solche Früchte bilden können, die uns und anderen Herz und Seele nähren

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