Be aware of the Mind-Dog
Wer sind wir, wenn nicht die Geschichten, die wir uns über uns selbst und die Welt (denn wir brauchen auch Kontext, um uns verorten zu können) erzählen? Diese Geschichten, die sich ja meist schon im frühen Leben formen, wiederholen wir immer und immer wieder, während wir darauf warten, dass sie sich durch Ereignisse im Außen und durch Gefühle im Innen bewahrheiten.
Wer ist also das „Ich“, wenn die Stille den ewigen Narrator in uns aufmerksamkeitstechnisch auch nur für einen kurze Augenblick besiegt hat? In der Stille bleibt die Wahrnehmung – dessen, was ist. Identifizieren wir uns dann nicht mit dem, was ist, so bleiben wir Beobachter der inneren und äußeren Geschehnisse. Doch ist dieses Ziehenlassen des Einheitsempfindens von Beobachter und Beobachtetem eine ungesunde Distanzierung von der Realität oder hilfreiches Aufatmen vom Immergleichen? Finden wir mehr Sicherheit in Gewohnheiten, die uns in ihren Bann schlagen und unsere erlebte Wirklichkeit vorherbestimmen wollen, indem sie dieselbe auf Antworten auf unsere Erwartungen und mentale, wie emotionale Urteilsverkündungen einschränken? Oder finden wir vielmehr Freude – eine völlig andere Form von Sicherheit, weil vertrauensbasiert statt angstbedingt – im Unbestimmten, das sich von ganz allein, ohne unser aktives Zutun mit buntem Leben füllt?
Das Hirn ist ein Hund. Insofern, als dass es gut oder weniger gut dressiert ist, unsere Bedürfnisse zu verfolgen und zu versuchen, uns so weit an die Umstände anzupassen, dass uns keine Gefahr droht. Freiheit ist definitiv etwas anderes. Freiheit ist die Gewissheit, ein Hirn zu haben, auf das man sich verlassen kann, wenn man es braucht – und die Möglichkeit einfach nur wahrzunehmen, ohne dass das Hirn ständig so laut in die Stille rein funkt, dass die Bewusstheit vollkommen abgelenkt wird, in das sprichwörtliche Alice-in-Wonderland-Rabbit-Hole abtaucht und uns mitreißt in den nächsten Loop des Immergleichen, nur stets leicht anders.
Be aware of the Watch-Dog
Anstelle also auf die Stimme im Kopf zu hören oder das Gefühl im Bauch zum Kapitän unseres Erlebens zu machen, wäre es ganz im Sinne der freudvollen Stille sinnvoll, sich darauf zu konzentrieren, was wir wahrnehmen, was auch immer gerade da ist. Ohne zu bewerten, ohne zu kommentieren, ohne irgendetwas damit zu tun. Natürlich gibt es Situationen, in denen wir funktionieren oder aufs reine Überleben schauen müssen. Aber in der Zwischenzeit, in den vielen Zwischenzeiten – und das ist eine Menge Lebenszeit – könnten wir es uns leisten, aus dem Gewohnheits-Karussell auszusteigen. Der Wachhund in uns ist dann vielleicht immer noch da, argwöhnisch in der plötzlichen Ruhe (vor dem vermeintlichen Sturm) nach Gefahren witternd, uns in eine unsichere Gefühlsmixtur tauchend. Lassen wir ihn einfach mal von der Leine. Ein bisschen rumschnüffeln, Löcher graben, Stöckchen finden, sich im Gras wälzen. Vielleicht gelingt uns dies ein paar glückliche Momente lang.
Be aware of the Unawareness
Aber wie schnell kippen wir zurück in die alten Gewohnheiten, etwas „zu tun“, „zu erledigen“, „zu genießen“, uns „zu belohnen“ etc.? Stunden später „wachen“ wir dann vielleicht wieder auf, fragen uns, wo die Zeit hingekommen ist. Ist das nun der positive „Flow“ der Selbstvergessenheit, wie wir ihn in der Kreativität erfahren? Oder waren wir auf „Autopilot“ und haben Lebenszeit und Energie vergeudet? Müssen wir das denn bewerten?? Ja. Denn wir müssen anfangen, der Qualität des Erlebens einen Wert zu geben. Wer, wenn nicht wir selbst, bestimmt, wie wir unser Leben erleben?
Haben wir am Ende einer unbewusst erlebten Phase ein gutes Gefühl, sind entspannt, haben uns angenehm verausgabt, fühlen uns angeregt, inspiriert, bereichert, befriedet, liebevoll, erfüllt? Dann waren dies zuvor hochqualitative Momente gewesen. Natürlich geschehen nicht immer nur schöne Dinge im Leben. Was tun mit diesen? Sie sein lassen. Annehmen, was war, als das, was es war. Möglichst keine Geschichte daraus stricken, die uns selbst zum Strick wird. Self-Care übernehmen lassen, uns geben, was wir brauchen, um zu heilen, um zur Ruhe zu kommen, um Frieden zu finden. Ebenso kommen mitunter dunkle Dinge aus dem eigenen Wesen in der Stille, in der Pause vom Alltagsablenkungstrott, ans Licht des Bewusstseins, das sich dann wundert. So etwas wie Selbstvorwürfe, Kritik, Autoaggression (und/oder all das auch nach außen, auf andere hin gemünzt). Auch hier: Sehen, wahrnehmen, annehmen, atmen, nicht darauf reagieren, keine Geschichten draus machen, in die wir uns dann immer tiefer verwickeln. Nicht umsonst heißt es „Ent-Wicklung“.
Die Wahl zum simpel So-Sein wäre eigentlich so einfach und naheliegender als alles andere, das wir mit unserer Erlebniswelt anstellen können. Und doch wirkt diese Art der Stille von innerer und äußerer Dauerstimulation durch Geschichten, die wir uns und einander erzählen, für viele Menschen unerreichbar oder schlich unattraktiv. Weil wir nicht wissen, was dann geschieht, wenn die Geschichte zu Ende ist. Dabei entfaltet sich genau hier nichts anderes als das Wunder Leben in all seiner unendlichen Farbenvielfalt. Enjoy!