Die Sandale!
Zoom in auf Brians Sandale, zoom out auf die nach Erlösung geifernde Anhängerschaft. Sie will sich Kraft der Sandale endlich zur Glaubensgemeinschaft erklären, das geht nur wenn Brian endgültig der Heiland ist. Die Sandale machts möglich. Sie wird in Monty Pythons Life of Brian zum Zeichen: Zur Bestätigung des Erhofften, zur Bestärkung des Ersehnten. Das Zeichen verleiht dem Glauben unantastbare Gültigkeit.
Die Schritte vom Zeichen-Sehen zur Anhängerschaft von seltsamen Ideen bis hin zu radikalen Verschwörungstheorien sind mitunter – je nach psychischer Disposition der Gläubigen – schnell getan. Diese Story widmet sich im Gegensatz zu diesen aber all jenen, die die Zeichen sehen, ohne sich dabei von ihren Ängsten und Hoffnungen allzu weit forttragen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Dieser Blog ist der Selbsterkenntnis via „Zeichen“ gewidmet…
Die Zeichen
Sprichwörtlich alles kann Ein Zeichen sein. Doch wie sehen realistische, relevante Zeichen aus? Kann es solche denn überhaupt geben? Wird nicht alles, was Bedeutung bergen kann (und das ist Alles und Nichts), nicht erst durch den Akt unserer Sinngebung bedeutsam? Liegt also der Sinn in den Dingen selbst oder in uns verborgen? Warum sehe ich, da ich dies schreibe, eine Ente mit entzückenden 8 winzigen Küken, 4 davon auf ihren Rücken, schwimmend an mir vorbeiziehen? Ein Zeichen?? Dafür, dass mir in diesen letzten Monaten viele neue Ideen entschlüpft sind, die um mich herumschwirren und gerade ihr Eigenleben entwickeln? Alles eine Frage der Interpretation, könnte man sagen.
Seeking and Seeing…
Wer suchet, der findet. Und dennoch. So einen Anblick von winzigen Entlein (und selbst diese Entenart) habe ich noch nie gesehen. Und es passiert genau in dem Augenblick, in dem ich beginne, über Zeichen zu schreiben. Synchronizität pur. Das muss zwar in keinster Weise bedeutsam sein, ja allerhöchstwahrscheinlich hat das alles Null mit mir zu tun. Allerdings ist der Umstand der zeitlichen Koinzidenz zumindest witzig. Und es macht schlicht mehr Spaß, dem Ereignis die Bedeutung einer Bestärkung zuzuschreiben, als es einfach nur so zu erleben. Obwohl der reine Anblick auch herzergreifend süß ist. Die Welt braucht meine Bedeutungszuschreibung wirklich nicht. Wohl eher brauchen wir selbst das Gefühl der Bedeutsamkeit. Nicht nur für uns selbst, also dass wir als Menschen etwas bedeuten, ein bedeutsames Leben führen oder insgesamt etwas Bedeutsames schaffen, Sinn stiften, helfen, irgendetwas in der Welt verbessern, etwas Positives beitragen. Auch andersherum wäre schön, nämlich, dass die Welt sich was schert um uns. Dass die Natur und wir irgendwie kosmisch verbunden sind. Dass die Dinge doch Sinn machen, auch wenn wir ihn gerade nicht sehen können. So viel zum inneren Wunschkonzert. Aber was hat das alles mit Zeichen zu tun? Was können wir tatsächlich legitimerweise in Ereignisse und Vorkommnisse, ins Wetter oder die Wolken, in den Flug der Vögel oder die Ampelschaltung, in Plakattexte oder Radiosongs, in plötzliche Anrufe oder unerklärliche Ideen, in Gedanken an andere und Visionen von Verstorbenen hineininterpretieren – ohne des wahnhaften Geistes knusprige Beute zu werden, wie es einst und ungefähr so schön hieß?
Reading the Signs
Das Leben kann wie eine Schachtel Pralinen sein, man weiß nie was drin ist (so ähnlich hieß es zumindest bei Forrest Gump). Oder es ist ein Topf, der zur Hälfte mit Honig und zur Hälfte mit Scheiße gefüllt ist und man kann sich nur aussuchen, ob man das Ganze schüttelt und durcheinandergemischt genießt, oder immer abwechselnd vom einen und vom anderen isst, oder zuerst das eine und dann das andere. Alte griechische Weisheit, hab‘ ich mir sagen lassen. Aber ganz unabhängig davon, wie das Leben grad daherkommt, als eine gammelige Schnapspraline oder ein Löffelchen Kackhonig – „die Zeichen“ bieten uns in jeder beliebigen Situation eine Reflexionsfläche und können dadurch zur nützlichen Entscheidungshilfe werden. Wie das?
Der Mensch neigt zur Projektion, das heißt zur Übertragung der eigenen akuten und chronischen ungelösten Themen, Erfahrungen, Wünsche und Befürchtungen auf seine Umwelt. Diesen Umstand können wir entweder unreflektiert oder unkommentiert hinnehmen oder aber wir können ich uns zu Nutze machen. Jede Bedeutung, die wir vergeben ist ebenso wie jede Bewertung, etwa Kritik oder Lob, an uns als Person geknüpft. Daran, wie wir die Welt sehen und erleben. Wollen wir Begebenheiten aller Art als persönliche Wegweiser wahrnehmen, geht nichts leichter als das!
Ask and Receive
Es gibt mehrere Zugänge, wie Dinge und Ereignisse zur Landkarte der individuellen Orientierung werden können. Es ist ein bisschen so wie mit Tarot-Karten: Was auch immer sie zeigen, es kommt auf die Interpretation an, auf die Kunst eine Brücke zwischen einem bestimmten Bild und den offenen Fragen des Lebens herzustellen. Eine Variante ist, sich eine Frage zu stellen und dann auf die Zeichen zu schauen. Also etwa: wenn X soundso ist, dann werde ich heute irgendwo Äpfel sehen. Natürlich geht das besser, wenn man nicht soundso Äpfel zu Hause hat. Und das Lustige daran ist eigentlich weniger das Ereignis der Bestätigung als vielmehr das Suchen und Finden. Oder eben Nichtfinden, aber auf dem Weg dahin zumindest etwas zielgerichteter und aufmerksamer durchs Leben zu gehen.
Ein anderer Zugang besteht in der Deutung von Ereignissen, etwa Wolkenformationen. Was immer man in den Gebilden zu sehen glaubt, gibt einem letztendlich Aufschluss über das eigene Unterbewusstsein. Kann auch erhellend sein. Oder man deutet seine Träume, besonders die Gefühle darin. Rumoren Neugierde und Lust oder Flucht und Angst, Wut und Frust im eigenen Wesen? Dann darf man sich getrost die Frage stellen: Wird der bewussten Verarbeitung unangenehmer Ereignisse oder treibender Bedürfnisse im eigenen Leben genug Raum gegeben? Wenn nicht, sagts Euch gleich das Licht, äh der Traum. Assoziationen – etwa noch so schlechte Reime – geben auch gute Zeichen ab. Erinnerungen bergen bestimmte Gefühle, die etwa mit Hoffnungen verbunden sind. Möge einem doch das Licht endlich zeigen, wo es langgeht! Die Reaktionen von Tieren zeigen ebenfalls recht schnell, wie achtsam und einfühlsam man gerade ist, oder welche Bedürfnisse man hat (vor allem, wenn sie nicht erfüllt werden). Übrigens ist es auch sehr aufschlussreich, wenn man sich selbst zuhört, während man gedankenverloren zu den lieben Haustieren spricht. Hui, spannend was man so alles über sich erfährt, wenn der Tag lang ist.
Und dann sind da noch die anderen Menschen: Wen zieht man im eigenen Leben so an? Welche Typen zeigen sich immer und immer wieder? Welche Konflikte erlebt man gebetsmühlenartig? Die Chance ist groß, dass vielleicht nicht „alle Männer“ oder „alle Frauen“ oder „alle Chefs“ schlecht sind, sondern dass man selbst so einiges an Ungelöstem mit sich trägt, das einen in immer wieder ähnliche Beziehungskonstellationen oder Autoritätsverhältnisse wirft. Solange bis man endlich versteht…
The Art of Storytelling
Aber was kann man denn nun eigentlich mittels Zeichen verstehen? Die ominöse Kraft der Zeichen liegt weniger in den Zeichen als vielmehr in den Zeichen-Lesenden. Welche Geschichten erzählen wir uns selbst – über uns selbst und die Welt? Welche Strickmuster der Interpretation, der Fragestellung und Antwortgebung wiederholen sich? Welche Fragen werden mit der Zeit so klar, dass wir sie ebenso gut gleich direkt betrachten und nach eingehender Auseinandersetzung vielleicht endlich ad acta legen können?
The Story of our Life
Zeichen sind wie ein Spiel. Und wir spielen ja soundso das Spiel unseres Lebens, die ganze Zeit. Bloß bleiben wir solang Spielfiguren, die von unbekannten Mächten bewegt werden und ungewollte Züge auf einem unsichtbaren Spielfeld zum Zweck eines unhinterfragten Kampfes ausführen, bis wir uns und anderen keine Geschichten mehr erzählen. Darüber wie „es ist“, wie „es sein sollte“ oder wie „es nicht sein darf“.
Was dann? Dann werden wir höchstwahrscheinlich tief aufatmen, ‘ne Runde oder zwei über uns lachen und die Dinge vielleicht erstmals so sehen, wie sie tatsächlich sind. Und ab dann macht das Spielen wahrscheinlich erst so wirklich Spaß.