Gedanken zum Umgang mit Verwirrung anlässlich Corona-bezogenen Abwehrverhaltens
Die „Gedanken“ gliedern sich in 2 Abschnitte:
1. Erkennen von Abwehrverhalten
2. Umgang mit Abwehrverhalten
Ad 1. Abwehrverhalten…
…zeigt sich etwa so:
- Versuche des Selbstschutzes vor Überforderung durch Verleugnung der Existenz des Virus
- Versuche des Selbstschutzes vor Angst durch Vergleichgültigung und Verharmlosung der Folgen von Infektionen
- Versuche der eigenen Angst vor der Sterblichkeit und Unberechenbarkeit des Lebens, vor der Abhängigkeit von (Gesundheits-/Versorgungs-)Systemen und dem unberechenbar scheinenden Verhalten der Politik, vor der potenziell übergriffigen Macht von Polizei und Rechtssystem etc. durch Zorn zu entkommen
- Versuche die eigene Angst unter Kontrolle zu bringen, indem klare Feindbilder definiert werden, auf die man die eigene Wut zur Abreaktion projizieren kann (siehe „Schuldige“ wie „Bill Gates“ oder „die Impflobby“)
- Versuche die Undurchschaubarkeit der komplexen Zusammenhänge auf einfache Nenner zu bringen, ihnen Namen zu geben und Absicht zu unterstellen (Stichwort Verschwörungstheorien)
- Versuche, die eigene Weltsicht in der allgemeinen Verwirrung zu bestätigen, indem sich bevorzugt in Resonanzblasen zur Bestätigung eigener Vorurteile aufgehalten wird (im Netz, bei Demonstrationen etc.), wobei andere Informationsquellen oder Perspektiven abgewertet werden (Stichworte: Lügenpresse, Schlafschafe)
- Versuche, die allgemeine Verwirrung für eigene Zwecke zu nutzen (siehe Rechtsextreme, Heilsversprecher, Wundermittelverkäufer, Anerkennungssuchende etc.)
Ad 2. Umgangsmöglichkeiten…
…sehen etwa so aus:
- Wenn die eigenen Emotionen hochgehen die Auslöser im eigenen System hinterfragen („Welche meiner Leitüberzeugungen und Leitwerte werden gerade in Frage gestellt?“, „Warum fühle ich mich angegriffen?“)
- Die Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen (wenn ich wütend bin, sagt dies etwas über mich aus – sobald ich die Botschaft verstanden habe, kann ich adäquat darauf reagieren. Solange ich meinen eigenen Anteil nicht verstehe, reagiere ich mustergetrieben und agiere nach verinnerlichten Reiz-Reaktions-Schleifen, die gar nichts lösen, sondern die Situation solange intensivieren -oder ähnliche Situationen immer wieder hervor provozieren- bis man den eigenen Anteil erkannt hat)
- Im Angesicht der scheinbaren Verantwortungslosigkeit und Verwirrung anderer (Stichwort Berlin-Demo) weder verzweifeln noch aufregen. Vielmehr hinter die Vorgänge schauen: Wer mobilisiert hier wen und zu welchem Zweck – und warum lassen sich Menschen offenbar derzeit besonders einfach manipulieren? Und sich die Fragen stellen: Wie kann man Menschen bestmöglich bei der Selbstreflexion, also dem Erkennen ihrer Gefühlswelt, Bedürfnisse, Ängste, Hoffnungen, Muster und Verhaltensweisen bestmöglich begleiten?
- Im Angesicht der offenbar in vielen Menschen vorhandenen verzweifelten Suche nach klaren Antworten, einfachen Lösungen und positiven Gefühlen der Gegenwart und Zukunft gegenüber diese Menschen nicht abwerten. Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten von Unklarheiten und Widersprüchen ist eine psychische Fähigkeit, die Menschen lernen können – und gerade lernen müssen. Es gilt, sie dabei zu begleiten!
- Stabilität, Sicherheit, Vertrauen – das sind die Gefühle und Zustände, die verwirrte Menschen brauchen. Versuchen wir solche „geschützten“ Atmosphären zu schaffen, um Menschen langsam an die Fähigkeit zur Ambiguitätstoleranz heranzuführen. Eine solche Gesprächsatmosphäre zu schaffen gelingt im Netz genauso wie über mediale Kommunikation aller Art oder im persönlichen Gespräch. Dies ist wichtig zu tun, egal ob wir Führungskräfte sind oder Freunde, Familienmitglieder oder Arbeitskolleginnen, und natürlich wären Influencer prädestiniert für diese Vorgehensweise. Obacht: nicht blindes Gutgläubigentum oder reines Wunschdenken sind hier gefragt, sondern die richtige Einstellung und Gefühlswelt, um kritische Fragen realistisch und differenziert zu beantworten! Das Zuhören gelingt erst, wenn aufgeregte Menschen sich ent-stresst haben und genügend „Speicherplatz“ für andere Sichtweisen frei geworden ist. Im Panikmodus geht gar nichts.
- Die wichtigsten Punkte einer sinnvollen Haltung nochmals zum Schluss herausgestellt: Wertfrei bleiben, so schwer es fällt. Konstruktiv bleiben, so schwer es fällt. Positiv gestimmt bleiben, so schwer es fällt. Klar bleiben, so schwer es fällt. Verantwortung für die eigene Gefühlswelt übernehmen, Verständnis für andere aufbringen. Basically: DIE VERWIRRUNG DER ANDEREN AUSHALTEN UND SIE STÜCK FÜR STÜCK DURCH DA SEIN, FRAGEN STELLEN, PERSPEKTIVEN ANBIETEN UND WOHLWOLLEN LANGSAM IN DIE KOMPLEXE WIRKLICHKEIT ZURÜCKBEGLEITEN. Mit ihnen in der Vielschichtigkeit der Realität da sein, statt zu kämpfen, zu ignorieren oder recht haben zu wollen. Menschliche Verbundenheit und innere Stabilität vorleben, anstatt sie zu verlangen.
- Dies alles kann nur bei Menschen gelingen, die keine eigene Agenda verfolgen – also keine Weltanschauung durchpeitschen wollen, sich nicht durchs „Dagegensein“ selbst aufwerten wollen und nichts verkaufen wollen
- Dies kann ebenso nur bei Menschen gelingen, die sich ein gewisses Minimum an Offenheit bewahrt haben. Wer sich völlig in seiner Abwehr eingegraben hat, sodass er/sie sich nur noch in der eigenen Blase vor der eigenen Angst sicher fühlt, braucht vielleicht professionelle Begleitung